Es ist ein liebenswerter Anachronismus, dass sich gerade an vielbefahrenen Verkehrsachsen immer wieder historische Relikte finden, die nicht mehr so recht in die heutige Zeit passen wollen und an denen man oft achtlos vorbeifährt. Zu diesen gehören auch vier alte Wirtshausgebäude entlang der Schwarzwaldstraße.
Die Schwarzwaldstraße ist Teil einer historischen Wegeverbindung, die von der Rheinebene über den Schwarzwald führte und schon vor der Gründung Freiburgs bestand. Man darf davon ausgehen, dass sich bereits im Mittelalter entlang der Einfallstraßen rund um die Stadt zahlreiche „Stallwirtshäuser“ etabliert hatten, die den Reisenden günstige Unterkunft und Einstellmöglichkeiten für Pferd und Fuhrwerke boten. Dass diese Gebäude heute ausnahmslos verschwunden sind, ist vor allem den Kriegen und Belagerungen der Barockzeit zuzuschreiben. Nach 1745 wurden jedoch zahlreiche Wirtshäuser an alter oder neuer Stelle neu errichtet.
Zu den Gebäuden, die aus dieser spätbarocken Wiederaufbauphase bis heute überdauert haben, gehört das Dreikönigshaus. Das denkmalgeschützte Haus, welches früher Fuhrleute und Wanderer zur Rast in ländlicher Umgebung einlud, ist heute wie eine Insel von mehrspurigen Verkehrsachsen eingekeilt und wird täglich von Tausenden von Kraftfahrern buchstäblich links liegen gelassen. Das Haus beherbergt den Freiburger Essenstreff, wurde 1748 erbaut und ist damit eines der ältesten Gebäude des Freiburger Ostens. Im April 2015 wurde der Ostteil durch ein Feuer so stark beschädigt, dass er abgerissen werden musste. Wenn es nach dem Willen der Straßenplaner geht, soll beim Bau des Stadttunnels auch der verbliebene westliche Teil weichen.
Auch die etwa einen halben Kilometer östlich zwischen Schwarzwaldstraße und Schützenallee gelegene Gebäudegruppe beim Gasthaus „Schützen“ gehört zu den Pionierbauten des nach 1745 wieder aufgebauten Dorfes Wiehre, bildete einen dessen Siedlungskerne und war einst von Feldern und Wiesen umgeben. Sie ist abgesehen vom Ortskern Alt-Adelhausens um den Annaplatz das einzige nennenswerte Häuserensemble, das noch an den ehemals ländlichen Charakter der Wiehre erinnert. Der „Schützen“ selbst geht wohl auf ein Lehensgut am Nägelesee zurück, welches um 1700 auf Initiative der Schützengesellschaft zum Wirtshaus wurde. Dieses wurde immer wieder zerstört und schließlich im Jahre 1750 ein letztes Mal wieder aufgebaut. Das Gebäude steht ebenso wie die Häuser Schwarzwaldstraße 36-38 in enger Verbindung mit der Baumeisterfamilie Hirschbihl. Auch das zwischen der Nr. 38 und dem „Schützen“ gelegene Haus Nr. 40 mit seinem erhaltenen Abtritterker ist eine Besonderheit: Häuser dieses Bautyps waren im spätbarocken und biedermeierlichen Freiburg typisch für die landwirtschaftlich geprägte Umgebung des Stadtkerns und sind im heutigen Stadtbild zu einer großen Seltenheit geworden.
Den Reigen alter Wirtshäuser entlang der Schwarzwaldstraße runden das benachbarte „Augustiner im Bankepeter“ und das an der Abzweigung der Hansjakobstraße gelegene ehemalige Flößerwirtshaus „Schiff“ ab. Beiden ist gemeinsam, dass die jeweils dazugehörigen Ökonomiegebäude dem Straßenbau zum Opfer gefallen sind: Beim „Bankepeter“ wurde der westliche Gebäudeteil beim Bau der Flaunserstraße abgetrennt; das „Schiff“ verlor sein gegenüberliegendes Wirtschaftsgebäude 1969 beim Ausbau der Schwarzwaldstraße. Seit einer behutsamen Renovierung vor einigen Jahren spürt man in den Gaststuben wieder, dass man in einem historischen, 1777 erbauten Wirtshaus tafelt.
Joachim Scheck
Anmerkung der Redaktion: Joachim Scheck ist ein profunder Kenner der Historie Freiburgs. Ein besonderer Schwerpunkt bei seinen Stadtführungen (Vistatour) und seinen zahlreichen Veröffentlichungen bilden hierbei die Stadtteile Wiehre, Waldsee und Oberau. Wir konnten Herrn Scheck als Gastschreiber gewinnen und werden von ihm in lockerer Folge weitere Artikel zur Historie unseres Stadtgebietes bringen.