Vom Glück der alten Verträge

Ein Haus zu haben auf einem Grundstück mit Erbbaurecht kann sehr attraktiv sein – oder auch nicht

Er hatte sich das so schön ausgemalt. Seinen Renteneintritt. Dann –so war der Plan – wird das Haus verkauft. Und zwar für ein fettes Sümmchen. Hier im Freiburger Osten ein Einfamilienhaus mit großen Grundstück – das ist doch total begehrt. Da werden die Leute Schlange stehen. Von dem Geld würde er dann für sich und seine Frau eine kleine, schmucke Wohnung für den Lebensabend kaufen. Soweit der Plan. Da hatte unser Rentner allerdings die Rechnung ohne die Stiftungsverwaltung gemacht. Denn sein Haus stand auf einem Erbbaurechtsgrundstück. Diese Grundstücke wurden in ganz Freiburg einst von der Stadt Freiburg und verschiedenen kirchlichen Stiftungen gekauft und dann an Interessenten verpachtet. Die Pächter sollten das Geld in erster Linie für ihr neues Haus ausgeben, um alles ganz schön machen zu können, nicht, oder jedenfalls nicht so viel für das Grundstück. Die Laufzeit der Verträge war lang. Zunächst 99 oder 100 Jahre, später in den 60er Jahren meist auf 75 Jahre verkürzt. Und die Pacht war nach den Kriegsjahren zumindest aus heutiger Sicht sehr niedrig. Je nach Größe des Grundstücks 70, 100, oder auch 150 Mark – im Monat.

Heute könnte man denken für den Quadratmeter, aber nein, 100 Mark für das ganze Grundstück. Und die Verträge wurden zunächst ohne Anpassungsmöglichkeit abgeschlossen. 100 Mark für 75 Jahre – wer so einen Vertrag noch hat, sollte nicht vergessen, ab und zu ein Glas Sekt die Stiftungsverwaltung zu trinken. Das ist aus heutiger Sicht natürlich ein Träumchen. Später haben Stadt und Stiftung Anpassungsmöglichkeiten in die Verträge verankert, sodass zumindest alle 3 Jahre die Pacht angehoben werden konnte. Doch auch diese Verträge aus den 50er Jahren war so niedrig angesetzt, dass heute, rund 60 Jahre später, die Pacht immer noch verschwindend gering ist.
Insgesamt halten Stadt und Stiftungsverwaltung rund 3500 Erbbaugrundstücke zu Wohnzwecken. Das eigene Haus auf fremden Boden ist im Land der Häuslebauer nicht sehr weit verbreitet. Deutschlandweit höchstens 5 % am Gesamtmarkt. In Deutschland wollen die Menschen möglichst auf dem eigenen Grund und Boden abends ihren Grill anzünden. In anderen Ländern sieht das anders aus. In Holland zum Beispiel gibt es viel mehr Erbbaurecht. Auch um Grundstücksspekulationen und damit Wahnsinnspreisen, wie wir seit längerem in Freiburg erleben, einen Riegel vorzuschieben. Vielleicht vergibt deshalb neuerdings die Stadt Freiburg wieder neu zur Bebauung freigegebene Grundstücke in Erbbaurecht.
Doch zurück zu unserem Rentner. Der hatte damit gerechnet, dass seine sehr niedriger Erbpachtzins auch nach dem Verkauf so niedrig bleiben würde. Blieb er aber nicht. Beim Verkauf eines Hauses, das auf einem Erbbaurechtgrundstück steht, nutzen Stadt oder Stiftung die Gelegenheit, die Pacht entsprechend dem Grundstücksmarktwert anzupassen. Da fiel der Rentner aus allen Wolken, als sein Erbpachtzins auf rund 11 000 € im Jahr neu festgesetzt wurde. Und somit verfielen auch alle Träume, das Haus für viele hunderttausend Euro verkaufen zu können. Mit diesem relativ hohen Erbpachtzins war das nicht möglich. Er hat schließlich verkauft – für die Hälfte dessen, was er sich erträumt hatte. Bitter.
4 % des Grundstückswertes werden als Pachtzins verlangt. 4 % mögen vor 30 oder 40 Jahren im Vergleich zu den damaligen Bauzinsen der Banken ein Schnäppchen gewesen sein, heute sind 4 % natürlich im Vergleich zu den zum Teil unter 1 % liegenden Niedrigzinsen wenig attraktiv. Doch natürlich wird keiner zu seinem solchen Vertrag gezwungen. Jeder ist frei zu entscheiden, ob er den Erbpachtzins zahlen möchte oder nicht. Und durch das Erbbaurecht können sich auch heute noch Familien ein Haus kaufen, dass für sie auf dem freien Markt unbezahlbar wäre. Ein weiterer Vorteil ist natürlich: auch heute werden die Verträge auf 75 Jahre abgeschlossen. Das heißt Verträge, die heute möglichweise mit dem 4-prozentigen Pachtzins als nicht allzu günstig erscheinen, können in 10 Jahren hoch attraktiv sein – und laufen dann noch 65 Jahre. Nachteil: wenn die Verträge ausgelaufen sind, geht das Grundstück wieder in den Besitz der Stiftung oder der Stadt zurück. Jetzt beginnen die ersten Verträge auszulaufen, die nach dem Krieg abgeschlossen wurden. Da müssen die betroffenen Grundstücksbesitzer schon mal ein paar Euro zur Seite legen, so günstig, wie sie lange gewohnt haben, ist es dann nicht mehr. Aber dafür haben sie auch lange genug fast umsonst gewohnt. Wer das Glück hat noch einen so schönen alten Vertrag mit langer Laufzeit zu haben: Einrahmen, aufhängen im Wohnzimmer und jeden Tag genießen.

Stephan Basters, BV