Leser*innenbrief: Wiehre für alle ODER Wiehre für uns allein?

Sehr geehrte Vorstandsmitglieder*innen des Bürgervereins Oberwiehre-Waldsee e.V., mit völligem Unverständnis nehme ich Ihre Position zu dem geplanten Neubauvorhaben der Familienheim-Genossenschaft in der Quäkerstraße wahr. Anstatt froh zu sein, dass auch in unserem Stadtteil Wiehre endlich etwas getan wird, um mehr bezahlbaren Wohnraum für Familien und auch alte Leute zu schaffen, unterstützen Sie mit Ihrem Verein die Prüfung einer Erhaltungssatzung für den Wohnbestand des Familienheims. Sie machen sich damit leider sehr unkritisch die Verweigerungshaltung der sogenannten Mieterinitiative „Wiehre für alle“ zu eigen, die sich in egoistischer Weise jeglichen Dialogs und Kompromisses mit dem Familienheim verweigert. Sie nennen sich zwar „Wiehre für alle“, aber meinen eigentlich nur sich selbst damit, da sie vorübergehend (!) aus ihren Wohnungen ausziehen müssten für den Neubau. Das ganze würde zwar unter traumhaften Bedingungen geschehen, wie sie sonst wohl kaum ein Unternehmen auf dem freien Wohnungsmarkt bieten würde (Umzugskosten werden übernommen – Wiedereinzug garantiert – KEINE Mietsteigerungen nach dem Rückzug in die NEUEN Wohnungen usw.), aber es geht der Initiative offenbar nicht darum, sondern nur um ihr „angestammtes Wohnrecht“ in diesen Häusern. Dabei ist Ihnen jedes Mittel recht und sie schießen über die Medien dann auch gerne mal mit politischen Kanonen wie „Gentrifizierung“ und einer von der Initiative selbst (!) durchgeführten sogenannten „Sozialdatenerhebung“ auf den Genossenschafts-Spatzen „Familienheim“. Wahrscheinlich lachen sich Sauer, Unmüßig und Co. dabei ins Fäustchen, wenn sie mitverfolgen, wie ausgerechnet die Familienheim-Genossenschaft ins Visier der Öffentlichkeit gerät. Mir vergeht da allerdings mittlerweile das Lachen.

Wenn Sie als Bürgerverein sich für eine Erhaltungssatzung für die Gebäude in der Quäkerstraße 1-9 (und in Folge auch der restlichen Nachkriegs-Gebäudebestands des Familienheims in der Wiehre), einsetzen, sind Sie für folgendes mitverantwortlich:
1. Allein durch die Prüfung der Erhaltungssatzung verzögert sich das Bauvorhaben um mindestens ein Jahr! In der Folge sitzen hunderte Genossenschaftsmitglieder noch länger auf der Warteliste des Familienheims fest, da die Fluktuation aus dem aktuellen Wohnbestand gegen 0 tendiert.
2. Sie verhindern durch diese Blockadehaltung im Stadtteil Wiehre den Abbruch völlig maroder Nachkriegsgebäude, die weder schön noch praktisch sind (enge dunkle Wohnung – keine Aufzüge für alte Menschen und Familien mit Kleinkindern – schlecht isoliert usw. Es gibt wirklich nichts, was ihren Erhalt rechtfertigen würde. Es handelt sich hierbei schließlich nicht um Gründerzeitbauten oder andere erhaltenswerte Gebäude. An ihrer Stelle könnten aber Neubauten mit Aufzügen, Barrierefreiheit und aktuellen Energiestandards, die insbesondere für Familien und alte Menschen ideal wären, errichtet werden.
3. Sie verhindern die behutsame Nachverdichtung unseres Stadtteils, indem durch die Neubauten 20 % mehr Wohnfläche als bisher zur Verfügung stünde. Nach dem Motto: „Bauen ja, aber bitte nicht bei mir vor der Haustür.“
4. Sie unterstützen völlig unkritisch die Verweigerungshaltung von ca. 30 – 40 Mitglieder*Innen der sog. Mieterinitiative „Wiehre für alle“ und übersehen dabei die hunderte Genossenschafts-Mitglieder auf der Warteliste des Familienheims, die seit vielen Jahren auf eine Wohnung warten. Leider mal wieder ein Parade-Beispiel dafür, dass sich wohl nur die durchsetzen, die am lautesten schreien. Sie als Vorstandsmitglieder*Innen des Bürgervereins wären somit dabei, unter dem Druck dieses Geschreis populistisch zu reagieren, anstatt an das Gemeinwohl aller denkend politisch zu agieren.
5. Verhindern Sie Baumaßnahmen, die zum zukünftigen Werterhalt des Genossenschaftsbaubestands beitragen. Die Gebäude des Genossenschaftsbestandes gehören ALLEN Mitgliedern und NICHT der Initiative „Wiehre für alle“. Zudem ist eine Genossenschaft eine sich selbst finanzierende Baugemeinschaft und kein sozialer Wohnungsbau. Das ist die Aufgabe der Stadt Freiburg, welche diese jedoch in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt hat.
Fazit: Wenn Sie als Vorstandsmitglieder*innen des Bürgervereins Ihren Aufgabe – nämlich die Interessen aller Bürger*innen unseres schönen Stadtteils zu vertreten – tatsächlich umsetzen wollen, dann sollten Sie sich nicht einfach vor den Karren derjenigen spannen lassen, die am lautesten schreien. Sie sollten vielmehr die Stimmen derer hören, die seit Jahren auf den Wartelisten des Familienheims stehen, in der Hoffnung, dass vielleicht irgendwann einmal eine Wohnung mit angemessenen Mietpreisen frei oder eben neu gebaut wird.
Mit freundlichen Grüßen
Nils Bodmann

Anmerkung der Redaktion: Wir können in keiner Weise der Diktion dieses Leserbriefes zustimmen, veröffentlichen trotzdem um uns nicht vorwerfen lassen zu müssen, dass zu uns kritisch stehende Leserbriefe „unterschlagen werden“