Bezahlbar Wohnen 2030

Der Gemeinderat der Stadt Freiburg beschließt das Gesamtkonzept „Bezahlbar Wohnen 2030“ zur Fortsetzung des Kommunalen Handlungsprogramms Wohnen als wohnungspolitische Leitlinie. Ein neuer Papiertiger?

Egal aus welchem politischen Lager man kommt, Fakt ist, dass das Thema bezahlbares Wohnen  eine der zentralen gesellschaftspolitischen Herausforderungen unserer Zeit darstellt, denen sich Kommunen, Land und Bund derzeit stellen müssen. Die Mieterseite spricht gar von der neuen sozialen Frage, die es schnellstmöglich zu lösen gilt, um den sozialen Frieden nicht zu gefährden. Freiburg gilt in der Szene der Großstädte dabei als „Hotspot“.

Stadt der Begierde mit kaum noch bezahlbaren Mieten.   Quelle: Stadt Freiburg

Wer in Freiburg lebt, weiß, dass man im wahrsten Sinne des Wortes in einem  „teureren Pflaster“ wohnt. Noch schlimmer ist es für diejenigen, die in Freiburg  wohnen möchten. Die Mieten sind hoch, Eigentum nur schwer und hochpreisig zu erwerben. In einigen Stadtteilen, wozu die aus unserem Einzugsgebiet Oberau/ Oberwiehre und Waldsee gehören, ist Wohneigentums-Erwerb mangels Angebot  fast unmöglich. Die Suchanfragen in unseren Stadtteilen spiegeln sich in den  Kleinanzeigen unseres Bürgerblatts wieder. Es erreichen uns auch Mails wie: “wir sind eine junge Familie mit gutem Einkommen, finden aber keinen bezahlbaren Wohnraum im Freiburger Osten. Können sie uns einen Tipp geben?“ Das können wir leider nicht. Diese missliche Lage gilt nicht nur für Freiburgs Osten, sondern für das gesamte Stadtgebiet. Das hat auch die Stadtverwaltung erkannt und ein Konzept für bezahlbares Wohnen in den nächsten zehn Jahren erarbeitet. Dem stimmte der Gemeinderat kurz vor Weihnachten 2020 mit großer Mehrheit zu.

Kurz vor Weihnachten 2020: Symbolischer Spatenstich des neuen Stadtteils Dietenbach: Foto: Seeger, Stadt Freiburg

Allgemein gilt eine Miete dann als bezahlbar, wenn sie ein Drittel des Nettoeinkommens nicht übersteigt. Naturgemäß spielt dabei die tatsächliche Höhe des verfügbaren Einkommens eine Rolle. Je niedriger das Einkommen, desto entscheidender ist es, diese Grenze einzuhalten. 

In der Beschlussvorlage für den Gemeinderat in dieser Sache (Drucksache G-20/134) ist auf mehr als 80 Seiten beschrieben, wie das funktionieren soll. Immer wieder taucht dabei der Begriff „Gemeinwohlorientierung“ auf und es ist von einer Kurskorrektur für die Freiburger Wohnungspolitik der nächsten zehn Jahre zu lesen. 

Die Stärkung der Freiburger Stadtbau GmbH (FSB) durch das Konzept „FSB 2030“ spielt dabei die Hauptrolle. Es geht hierbei um die Bestandshaltung städtischer Grundstücke mit Wohnbaupotenzial, die Erstellung der Erbbaurechtsgrundsätze, die Gründung einer privaten Freiburger Dachgenossenschaft, die Anstrengungen gegen Leerstand und illegale Ferienwohnungen oder die Programme „Vermieten mit der Stadt Freiburg“. Nächstes erklärtes Ziel ist es, das Quartier Kleineschholz zu 100 % gemeinwohlorientiert zu entwickeln. Dem neuen Stadtteil Dietenbach kommt in dem Programm eine besondere Bedeutung zu, hier soll gezielt für Menschen gebaut werden, die sich hohe Mieten nicht leisten können.

Das zuvor Geschriebene liest sich sehr gut. Wenn man dann auch noch die Zielsetzungen der Konzeption dazu nimmt, die da lauten: Baurechte für Neubau schaffen, Bezahlbarkeit im Bestand sichern, Akteure fördern und fordern, Baukosten senken und besondere Bedarfslagen am Wohnungsmarkt berücksichtigen und dann im Hintergrund die Haushaltsdiskussion mit Riesenverschuldungen dagegen hält, erkennt man schnell, dass die Stadt an einer großen Schraube drehen möchte von der sie noch nicht weiß, wie das Bohrloch mit zugehörendem Gewinde geschaffen werden kann.

Man muss jedoch bei allem Bedenken anerkennen, das die Verwaltung mit den 15 beteiligten Fachämtern in einen „Riesenkraftakt“, so OB Horn,  ein im Gemeinderat zustimmungsfähiges Konzept erarbeitet hat, wobei es nicht nur Zustimmung sondern auch kritische Stimmen aus den Fraktionen gab.    

Für die Grünen formulierte Fraktionschefin Maria Viethen: „das neue Konzept formuliere nun eine weitergehende Strategie, die nicht mehr auf die Marktmechanismen setze. Es gelte jetzt, die preistreibende Spekulation mit Wohnraum zu verhindern“. Gregor Mohlberg von „Eine Stadt für alle“ pflichtete im Wesentlichen bei. Julia Söhne (SPD/ Kulturliste) hofft: „diejenigen, die auf dem Markt keine Chancen haben, -wozu immer mehr auch die gesellschaftliche Mitte gehöre-, in den Mittelpunkt der Betrachtungen zu rücken und forderte mehr  Gemeinwohlorientierung um soziale Ausgrenzung zu verhindern“. CDU Fraktionsvorsitzende Carolin Jenkner warnte dagegen: „ Neubaurechte nicht zu verkomplizieren und Investoren auszuschließen. Auch die Eigentumsbildung sei ein stabilisierendes Element in den Quartieren“. Simon Sumbert (JUPI) nannte die Situation auf dem Wohnungsmarkt schwindelerregend und lobte den Ansatz der Verwaltung. Christoph Glück (FDP/BfF) warnte vor zu viel städtischem Dirigismus, der das Bauen verteuere und die Schaffung bezahlbaren Wohnraums verhindere. Er lehnte für seine Gruppierung die Vorlage ab. Desgleichen tat dies FW-Stadtrat Johannes Gröger, der die Debatte als „ideologiebeladen“ bezeichnete. Die AfD schloss sich der Ablehnung an und sieht  Migration und Energiesparauflagen als Verteurer des Wohnungsmarkts. Wolf-Dieter Winkler (FL) forderte dazu auf, die Spekulation mit Immobilien zu beenden.

Besonders freudig hat der Bürgerverein die im Handlungskonzept genannte Maßnahme „Anstrengungen gegen Leerstand“ registriert. Ein Paradebeispiel diese Forderung sofort umsetzen zu können bietet bei uns in der Oberwiehre, in einem seit 1992 mit ca. 4000 m² leerstehender Gebäudeteil eines Denkmal geschützten Hauses.  Sein Name lautet: Lycée Turenne

Hans Lehmann, BV