Arbeit mit Kindern von Suchtkranken (MAKS)

Der Vater oder die Mutter sind von einer Droge abhängig: Alkohol etwa oder anderen Rauschgiften. Oder sie haben massive psychische Probleme. Das macht einer Familie und vor allem den Kindern in vielerlei Hinsicht zu schaffen. Vernachlässigung, Gewalt, mangelnde Förderung sind ein Thema. Und oft genug müssen sie dafür sorgen, dass der Haushalt zumindest rudimentär funktioniert. Sie passen auf Geschwister auf, gehen einkaufen, telefonieren mit Ämtern und medizinischen Praxen. Ihre eigene Bedürfnisse kommen extrem zu kurz, ihre schulischen Leistungen leiden.

Für diese Kinder gibt es Maks – ein Modellprojekt, das sich der Arbeit mit Kindern von Suchtkranken widmet. In wöchentlichen Gruppenangeboten sie andere Kinder und/oder Jugendliche in ähnlicher Situation kennenlernen und sich mit ihren Erfahrungen austauschen. Außerdem werden viele Freizeitaktivitäten angeboten, insbesondere in den Schulferien. Aber auch Erwachsene, die selbst betroffen sind oder deren Familienangehörigen, Freunde oder Betreuungspersonen bietet Maks unterschiedliche Formen der Beratung und Begleitung an.
Wir treffen Helga Dilger, die Leiterin von Maks, in einem hübschen Haus auf der Wiese am Rande der Karthäuser Straße. Dort arbeitet sie zusammen mit fünf Fachkräften, die 3,8 Vollzeitstellen teilen. An den Wänden des Flurs und der hellen Räume für die Kinder und Jugendlichen hängen überall Bleistift- und Buntstiftzeichen oder Bilder, die mit Wasserfarben gemalt wurden. Fast alle thematisieren die häusliche Situation. Manche sehr plakativ, mache ser subtil. Manche lassen die Betrachtenden erschrecken, andere lächeln. So wie Helga Dilger lächelt, wenn sie über ihre Arbeit spricht wie hier im Interview von Mechthild Blum für das Bürgerblatt des BV Oberwiehre-Waldsee.

Bürgerblatt: Frau Dilger, rund 140 Kinder und Jugendliche im Jahr werden von MAKS betreut. Wie wichtig sind die zwölf Gruppen für Kinder und Jugendliche?

In einer Familie aufzuwachsen, in der ein oder beide Elternteile suchtkrank oder psychisch krank sind, ist für Kinder meistens eine große Belastung. Die Bedürfnisse des erkrankten Familienmitgliedes stehen im Mittelpunkt und das Familiengleichgewicht ist durch die Erkrankung großen Schwankungen ausgesetzt. Der Vergleich mit einem „gekippten Mobile“ wird für die Dynamik in einer suchtkranken Familie oder einer Familie mit einem psychisch kranken Elternteil häufig verwendet.
Die Kinder leiden an Schuldgefühlen, sind einsam und übernehmen zu früh und oft viel zu viel Verantwortung. Die Stimmung und die häusliche Atmosphäre werden von dem erkrankten Elternteil bestimmt. Stimmungsumschwünge und Inkonsequenz im Verhalten dieses Elternteils sind charakteristisch für die Atmosphäre in der Familie und insbesondere für die Kinder extrem belastend. Fürsorge und Versprechungen gehen einher mit Desinteresse und Ablehnung. Nach außen wird dieser Zustand von allen Familienmitgliedern verheimlicht und der Eindruck einer heilen Welt vermittelt. Oft über viele Jahre. Dadurch entsteht bei den betroffenen Kindern ein Gefühl des selbstverschuldeten Einzelschicksals.
In einer begleitenden Gruppe wie Maks sie bietet, lässt sich genau das als erstes sehr gut lösen. Allein zu erleben, dass es anderen ähnlich geht, kann innere Entlastung bringen. Kindgerechte Aufklärung über sucht- und/oder psychische Erkrankungen und das Angebot die häusliche Situation besprechbar zu machen, Spiel und Spaß haben ebenfalls ihren festen Bestandteil.

Bürgerblatt: Beziehen Sie auch Erwachsene in diese Arbeit mit ein?
Wir bieten Unterstützung für Schwangere, Gruppen für Mütter/Väter mit Kleinkindern bis zum Alter von jungen Erwachsenen in wöchentlichen Gruppentreffen an. Zu der Gruppe junge Erwachsene sind alle über 18 eingeladen, die Themen hier sind letztlich immer noch aus dem „Rucksack der Kindheit“ Bei der Mütter/Vater-Kind-Gruppe geht es dagegen um Themen die mit dem dazugekommenen Familienmitglied und der eigenen Erkrankung zu tun haben.

Bürgerblatt: Können Sie uns von einer konkreten Geschichte berichten?
Sarah ist Frühaufsteherin, ihr Wecker klingelt um 5.30 Uhr.
Nach dem Aufstehen wird zuerst einmal die Küche aufgeräumt.
Meistens kocht sie das Mittagessen schon vor.
Dann richtet Sarah das Frühstück und die Pausenbrote.
Anschließend weckt sie Tommy und Oliver und hilft ihnen beim Anziehen.
Sind alle fertig, bringt sie Tommy in den Kindergarten und Oliver in die Schule.
Sarah ist 12 Jahre alt. Ihre Mutter ist suchtkrank und depressiv.

Bürgerblatt: Über welche Kontakte erreichen Kinder und Jugendliche ihr Angebot?
Eigentlich kann Jeder und Jede auf uns aufmerksam machen. Sollten also in Ihrer Umgebung Kinder/Jugendliche leben mit erkrankten Eltern, denen Sie Unterstützung wünschen, könnten Sie diesen Familien von uns erzählen.
Nur ein kleiner Teil der Kinder/Jugendlichen kommt von selbst zu uns. Bei manchen sind es die Eltern selbst, die sich ihrer Erkrankung bewusst sind, die die Kinder zu uns schicken. Einige suchen uns aufgrund von Hinweisen von Suchtberatungs- wie von Erziehungsberatungsstellen auf, vom Jugendamt oder von den verschiedenen Psychiatrien, bei denen wir „offene Sprechstunden“ anbieten. Die ein oder anderen hören von ihrer Lehrerin von uns oder der Kinderarzt spricht die Familie an. Die Wege sind sehr vielfältig und manchmal gibt es verschiedene Hinweise auf uns, bis der erste Schritt getan wird. Besonders lange dauert es in der Regel, bis die sogenannten unauffälligen und „tüchtigen“ Kinder bei uns landen, denn sie machen keinen Ärger, im Gegenteil: Sie entlasten oft die familiäre Situation. Dabei sind auch sie gefährdet, ohne Hilfestellung später selbst zu erkranken. Und auch sie haben ein Päckchen an Verantwortung zu tragen, welches nicht unbedingt kindgerecht ist. Wenn sie das Beispiel von Sarah lesen.

Bürgerblatt: Können auch unbeteiligte Personen, die in ihrem Umfeld merken, dass für Familien mit psychischen Problemen oder Suchterkrankungen Hilfe und Unterstützung für die Kinder ratsam wäre, sich an Sie wenden?
Selbstverständlich würden wir hier ein anonymes Gespräch anbieten, allerdings kann es nur weitergehen, wenn die Personen sich dann auch denen zuwenden, um die sie sich sorgen und von uns berichten – oder das Jugendamt informieren, wenn sie das Kindeswohl gefährdet sehen.

Bürgerblatt: In den vergangenen Wochen konnten wegen der Corona-Regelungen zur Eindämmung der Pandemie keine Gruppen mehr stattfinden. Was haben Sie stattdessen getan?
Die Eltern hatten Corona-bedingten Stress, sie leiden unter Arbeitsplatzverlust oder –reduzierung. Für die Jobs, die jetzt wegfielen, gab es zum Teil keine finanzielle Entschädigung. Ängste, Depressionen und natürlich bei Suchtkranken ein dadurch möglicherweise stärker oder wieder entstehenden Suchtdruck tun ihr Übriges. Zusammen mit ihrer Erkrankung ist dies jedoch in der Regel eine äußerst ungute Mixtur, die auch für die Kinder komplexe und ungute Auswirkungen hatten: Wenn es den Eltern schlecht geht, wenn diese nicht in der Lage sind, Zuversicht zu vermitteln, geht es auch den Kindern schlecht. Wir haben deshalb versucht, jedes Kind mindestens einmal pro Woche telefonisch zu sprechen. In vielen Fällen haben wir uns mit den Kindern zum Spazierengehen getroffen, was für uns logistisch sehr aufwendig war und Gruppe dennoch nicht ersetzen konnte.

Bürgerblatt: Wer finanziert Maks und die Arbeit der Fachkräfte dort?
MAKS wird über die Kommunen Freiburg, Breisgau-Hochschwarzwald und Emmendingen finanziert. Etwa ein Drittel einer Stelle finanzieren wir über Eigenmittel, die such durch Spenden, oder einnahmen über Fortbildungen und Vorträge ergeben. Für die, die Unterstützung suchend, ist unser Angebot ja komplett kostenfrei.

Bürgerblatt: Der Bürgerverein Oberwiehre-Waldsee konnte Ihnen in diesem Jahr eine Geldsumme von 700 übergeben, die unter den Mitgliedern gesammelt wurde . . .
. . . genau auf solche Spenden sind wir auch angewiesen, um immer mal wieder „Extras“ mit den Kindern/Jugendlichen erleben zu können wie z.B. Ausflüge oder Ferienangebote, Eis essen, Bootfahren, mal ins Kino gehen, ganztägige Veranstaltungen. Nochmals ganz herzlichen Dank!

INFO:

  • Helga Dilger, 63 Jahre alt, ist Sozialpädagogin, Supervisorin und die Leiterin von MAKS. Sie arbeitet dort seit 1990. Sie wird im Herbst auf Einladung des BV Oberwiehre-Waldsee beim „Treffpunkt Dreikönigscafé“ ausführlich über die Arbeit bei Maks informieren.
    -MAKS widmet sich der Arbeit mit Kindern von Suchtkranken. Das Modellprojekt wird getragen vom regionalen AGJ-Fachverband für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Freiburg e.V.
  • Kontakt: MAKS, Tel. 0761 / 33216, http://www.maks-freiburg.de