Plötzlich ging alles ganz schnell. Im Schulentwicklungsbericht 2018 der Stadt Freiburg wurde dargestellt, dass ab dem Schuljahr 2020/21 entgegen früherer Statistiken die Schülerzahlen an allgemeinbildenden Schulen in Baden-Württemberg und besonders in Freiburg wieder ansteigen werden. Die Gymnasien verzeichnen dabei prozentual den höchsten Anstieg. Dass gehandelt werden muss ist klar. Die Einbindung der Öffentlichkeit in diesen Prozess ist jedoch mangelhaft. Nach Bekanntwerden der Erweiterungspläne des Berthold-Gymnasiums mehren sich die Beschwerden beim Bürgerverein
Nicht nur für den Bürgerverein war die Überraschung groß, als die Stadtverwaltung 2019 ihre Ausbaupläne für Freiburgs Gymnasien veröffentlichte. Anstatt dem schon länger anvisierten neu zu bauenden Gymnasium am Tuniberg setzte man die Erweiterung des Berthold- Gymnasiums im Freiburger Osten auf Priorität 1. Überraschend deswegen, weil das Berthold-Gymnasium, das Friedrich- und das Goethe-Gymnasium die drei nicht voll ausgelasteten Gymnasien der Stadt sind, im Gegensatz zu allen anderen städtischen Gymnasien, besonders der drei im Westen liegenden. Eine Erweiterung im bisherigen altsprachlichen Profil wäre jedoch reiner Wunschgedanke, deshalb bekommt das Berthold-Gymnasium ein zusätzliches naturwissenschaftliches Profil mit Informatik, Mathematik und Physik. Alles Fakten, die den Bürgerverein freuten, denn das prestigeträchtige Gymnasium ist ein wesentlicher und wichtiger Bildungsfaktor unseres Stadtgebietes.
Der Bürgerverein wurde im Herbst 2019 bei der Schulleitung vorstellig und schlug vor, die Beschulung der Oberstufenklassen beider Profile und die neu zu konzeptierenden Naturwissenschaftlichen Räume im leerstehenden Westflügel des Lycée-Turenne zu verwirklichen.Die Ablehnung unseres Vorschlags bei der Schulleitung war deutlich. Die Begründung:“Schülerinnen-, Eltern-, Lehrerinnen und Schulleitung sehen in einer Erweiterung im eigenen Gelände die einzige Chance, das Berthold Gymnasium zukunftsfähig zu gestalten, in einem ausgelagerten Gebäude ist das bei der Elternschaft nicht darstellbar“.
Der Bürgerverein maßt sich in solchen Fragen keine Entscheidungskompetenz an und respektierte den Wunsch der Schulgemeinschaft, wenn auch mit einem weinenden Auge, denn wir sehen damit die Chance, das Lycée-Turenne in absehbarer Zeit zu sanieren, schwinden.
Überrascht wurden wir am 13. Mai dieses Jahres durch einen Bericht in der BZ, aus dem zu entnehmen war, dass bereits Fakten geschaffen waren. Das Berthold-Gymnasium soll für 22 Millionen einen Erweiterungs-Neubau bekommen. Am gleichen Tag erfolgte die Einladung vom federführenden Gebäudemanagement an uns zu einer „Corona bedingt“ nicht öffentlichen Informationsveranstaltung am 20. Mai. Zwei Varianten einer Baumassenstudie wurden zugesandt, wir konnten uns in dieser kurzen Zeitspanne im BV-Vorstand nur in kleinem Kreis austauschen und entschieden uns beim Informationstermin den Vorschlag mit dem geringsten Flächenverbrauch und dem besten Lärmschutz auf einem Teil des Schulhofes zu favorisieren (bezeichnet mit Variante 4A). Ebenfalls beschlossen wir, doch noch einmal die Variante Lycée-Turenne anzusprechen. Eine geballte Ablehnung unseres Vorstoßes war das Ergebnis. Bei der Variantenauswahl waren wir dann die einzigen, die die Variante 4A als Priorität 1 handelten. Die Schulgemeinschaft, das Stadtplanungsamt und die Architektin der Erstellung der Baumassenstudie favorisierten die Variante mit der Erweiterung nach Osten als Priorität 1 (bezeichnet als Variante 2A, siehe Grafik Baumassenstudie). „Dann sind Ballspiele und Freizeitsport auf dem Schulgelände nicht mehr möglich; sie sollen auf Sportplätze an der Schwarzwaldstraße verlagert werden.“ Das federführende Gebäudemanagement hielt sich bedeckt.
Baumassenstudie Erweiterung Berthold-Gymnasium
Dem Gestaltungsbeirat wurden die beiden Varianten am 28. Mai in einer nicht öffentlichen Sitzung vorgestellt. Der Bürgerverein war zunächst eingeladen, dann wegen der Corona Abstandsregeln wieder ausgeladen.
Das Ergebnis aus dem Gestaltungsbeirat:
„Dem Gestaltungbeirat wurden hierzu zwei Varianten vorgestellt.
Die erste Variante belegt mit dem Erweiterungsbau den schulzugehörigen Sportplatz östlich der Tuslingerstraße (Variante 2A > siehe Anlagegrafik).
Die zweite Variante umschließt den Pausenhof mit einer winkelförmigen kompakten Bebauung. (Variante 4A> war unser Favorit)
Der Gestaltungsbeirat präferierte die erste Variante (2A) mit dem Standort für den Erweiterungsbau einschließlich einer vorzuhaltenden Fläche für eine Sporthalle. Die Begründung: Die Weiterentwicklung der bauhistorischen und kulturellen Prägungen des Schulgeländes sieht der Beirat nur gewährleistet, wenn der Erweiterungsbau im Wesentlichen den derzeitigen Ostflügel entlang der Dreisam fortsetzt, eine Erweiterung im Duktus der heutigen Anlage erfährt und sich somit nach Süden öffnet. Die zweite Variante würde dies hingegen verhindern und mit starken Eingriffen in den Baumbestand verbunden sein“.
Der Gestaltungsbeirat hat damit eine Empfehlung für den Standort des Erweiterungsbaus und über die Abgrenzung des Baugebietes gegeben, die notwendig ist, um für den geplanten Anbau ein vorgesehenes Wettbewerbsverfahren ausloben zu können. Die Verwaltung wird sich sicherlich daran halten. Seit der Veröffentlichung der geplanten Erweiterungsbaumaßnahmen in der BZ vom 13. Mai gingen beim Bürgerverein mehrere Anrufe und Mails ein. Alle mit dem gleichen Duktus: „Warum hat der Bürgerverein über diese Erweiterungspläne nicht im Bürgerblatt informiert?“
Sie haben nun den Grund erfahren: Wieder einmal hat man seitens der Verwaltung „vergessen“, Öffentlichkeitsbeteiligung ernst zu nehmen und bereits Fakten geschaffen, bei denen die Öffentlichkeit außen vor war. Siehe hierzu auch der nebenstehende Leserbrief von Walter Iwersen, der uns kurz vor Redaktionsschluss erreichte.
Hans Lehmann, BV