Projektionsfläche für gesellschaftliche Konflikte, Unsicherheitsgefühle und Kriminalitätsängste?
Nach der Mitte März vom scheidenden Polizeipräsidenten Bernhard Rotzinger vorgestellten Kriminalitätsstatistik gibt es im Vergleich zum Vorjahr in Freiburg zwei gegenläufige Tendenzen. Gesunken sind Gewaltdelikte um 11,1 Prozent, Diebstahlsdelikte um 14,2 % und Vermögens-und Fälschungsdelikte um 5,7 %. Zugenommen haben Sexualstraftaten um 25% und die Zahl der Wohnungseinbrüche um 18,4 %. Trotz einer Verbesserung der Gesamt-Aufklärungsquote um knapp vier Prozentpunkte auf den nunmehr guten Wert von 64,2 Prozent bleibt Freiburg zumindest statistisch die kriminelle Hauptstadt Baden-Württembergs, ein wenig schmeichelhafter Spitzenplatz.
Freiburg ist wie alle Großstädte durch eine Vielfalt von Gegensätzen geprägt. Was einige großstädtisches Flair nennen, wird von anderen mit einer unguten Sicherheitsgefühl verbunden. Die Einen freuen sich über eine vernetzte urbane Struktur, für Andere ist es Anlass, die Unübersichtlichkeit der Städte zu beklagen. Urbane „Streetart“, wie z. B. Graffiti finden einige „gesellschaftsfähig“, andere als abweichendes Verhalten oder schlicht als Sachbeschädigung. Viele nehmen unübersichtliche Orte, z. B. schlecht beleuchtete Unterführungen, als eine Bedrohung Ihrer Sicherheit und damit als „Angsträume“ wahr.
Wenn in der Öffentlichkeit über Sicherheit diskutiert wird, werden häufig Beispiele aus städtischen Räumen genannt. Statistiken des Bundeskriminalamts zeigen, dass die Häufigkeitszahl, also die Zahl der bekanntgewordenen Fälle berechnet auf 100 000 Einwohner, mit zunehmender Stadtgröße steigen. Während in kleinen Gemeinden überdurchschnittlich oft Straftaten gegen die Umwelt, Verletzung der Unterhaltspflicht oder Brandstiftung registriert werden, konzentrieren sich in Großstädten die Straftaten auf Raub-, Gewalt-, Sexual-, Korruptions- und Amtsdelikte sowie gegen das Ausländerrecht. Die stark angestiegene Tätermobilität und die damit verbundene räumliche Verteilung der Tatorte erschweren Prävention und Aufklärung erheblich. Hiervon ist Baden-Württemberg, vor allem Südbaden durch seine Lage im Dreiländereck besonders betroffen. Gerade bei den Wohnungseinbrüchen kommen viele mobile Tätergruppen in die Stadt und ziehen sich nach der Tat ins Ausland zurück, auffällig viele ins nahe Frankreich.
Wie die Grafik zeigt, ist die Zahl der Straftaten in Freiburg im Jahr 2018 insgesamt gesunken, die Belastung durch Kriminalität erreichte vergangenes Jahr sogar den niedrigsten Wert seit 2003. Der Polizeipräsident führte in seiner Pressekonferenz diese erfreuliche Entwicklung auf die Sicherheitspartnerschaft mit dem Land und die damit verbundene Personalaufstockung zurück.
Zum städtischen (Un-)Sicherheitsgefühl gehören viele weitere Faktoren: die Beherrschung von Naturgefahren (z. B. Stürme, Starkregen mit Überflutung), von technischen Gefahren (z. B. Kraftwerksunfälle, Großbrände, Ausfall von Versorgungseinrichtungen), die Verkehrssicherheit, bis hin zu den Alltagsproblemen durch Belästigungen von Hundekot auf dem Bürgersteig oder Abfallablagerung in öffentlichen Anlagen, störenden Alkoholkonsum im öffentlichen Raum und Vandalismus. Gerade der Alkoholkonsum im öffentlichen Raum, die damit zum Teil verbundenen Störungen und die eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten der Kommunen sowohl im vorbeugenden als auch im repressiven Bereich belasten die Sozialstruktur unserer Stadt ganz wesentlich; offensichtlich fehlen Personal (und Willen?) zur Verfolgung von Ordnungsstörungen und der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten.
Klar ist jedoch, dass die Schaffung und Erhaltung urbaner Sicherheit eine der wichtigsten Aufgaben der Kommunalpolitik ist. Bemühungen in dieser Richtung sind in Freiburg seit Jahren erkennbar, flankiert durch eine breite Palette von Maßnahmen, wie ordnungsrechtliche Maßnahmen und rechtliche Vorschriften (siehe die Polizeiverordnung der Stadt Freiburg- https://www.freiburg.de/OrtsR_06_01.pdf).
- Hierzu zählen personelle Maßnahmen wie die Präsenz von Ordnungskräften vor Ort bis hin zu städtischem Sicherheitspersonal,
- technische Maßnahmen wie Investitionen in Beleuchtung oder der in Freiburg vieldiskutierten Videoüberwachung,
- ein funktionierendes Frauen-Nachttaxi,
- baulich-gestalterische Maßnahmen wie die Verbesserung der Einsehbarkeit von Räumen, die Pflege und Instandhaltung des öffentlichen Raumes oder die Berücksichtigung von Mindestanforderungen für Sicherheitsaspekte in der Bauleitplanung und im Baurecht,
- gezielte Investitionen in soziale Infrastruktur, die Förderung der sozialen Mischung der Bewohnerschaft im Quartier (soziale Erhaltungssatzungen), die Belebung des Raumes durch Förderung von Aktivitäten (z. B. Stadtteilfeste), die Förderung der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Planungsprozessen und Maßnahmen der Stadtumgestaltung, Quartiersmanagement, Jugendarbeit und sozialpädagogische Angebote sowie das Angebot sozialer Dienstleistungen und
- die Kommunikation mit der Bürgerschaft und die Information der Öffentlichkeit in Form von Informationsbroschüren, Durchführung von Informationsveranstaltungen, Bereitstellung von Ordnungstelefonen oder Hotlines für Bürgermeldungen, Internetangebote für Bürgermeldungen u. a. m.
Wenn der Begriff Sicherheit in Städten fällt, wird zumeist nur an die polizeiliche Sicherheit gedacht. Für sichere Städte zu sorgen, ist jedoch eine Aufgabe, an der viele Akteure beteiligt sind, die sich zum Teil ihrer Wirkung auf Sicherheitsfragen in der Stadt bisher kaum bewusst sind: beispielsweise nicht unmittelbar mit Ordnungsaufgaben betraute Ämter wie das Stadtplanungsamt oder der Einzelhandel, die Wohnungswirtschaft, Sportvereine. Daran muss gearbeitet werden. Urbane Sicherheit wird durch praktisch kooperatives Handeln bestimmt und macht einen wesentlichen Teil der Lebensqualität für die Bürger unserer Stadt aus. Wir als Bürgerverein sehen uns als Schnittstelle für die Akteure einer sicheren urbanen Stadt. Hans Lehmann, BV