Weihnachtsspenden Übergabe an die Freiburger StraßenSchule

Die Weihnacht- Spende von 500 Euro konnte der Bürgerverein Oberwiehre-Waldsee zu Beginn des neuen Jahres der Freiburger StraßenSchule überreichen. Die Spendenübergabe erfolgte durch eine kleine Vorstandsdelegation in den Räumen der StraßenSchule Schwarzwaldstraße 101. Bei dieser Gelegenheit sprach Mechthild Blum mit Christine Devic, die für die Öffentlichkeitsarbeit der Freiburger Straßenschule zuständig ist und fragte sie für das Bürgerblatt (BBL). Was genau macht die Freiburger Straßenschule eigentlich?

von links: Christine Devic (Straßenschule), Christa Schmidt, Hans Lehmann, Wilfried Nagel, Mechthild Blum (alle BV) | Foto: Lehmann

Die Freiburger StraßenSchule

. . . ist eine Einrichtung für wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Jugendliche und junge Erwachsene. Die Sozialpädagog*innen Freiburger StraßenSchule begleiten, beraten und fördern jährlich rund 450 bis 500 junge Menschen auf der Straße, in einer Tagesanlaufstelle, dem Kreativraum „Galerie UpArt“ und in Wohnprojekten. In einer Regelschule wird präventiv mit schulmüden und vom Schulausschluss bedrohten Kindern gearbeitet. Die Freiburger StraßenSchule wurde 1997 gegründet und ist heute Fachbereich von SOS-Kinderdorf Schwarzwald in Kooperation mit dem Freiburger StraßenSchule e.V. Beide Vereine sind Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband und als mildtätig und gemeinnützig anerkannt. Die Arbeit der Freiburger StraßenSchule wird zum überwiegenden Anteil aus Spenden finanziert.

Kontakt:
Freiburger StraßenSchule, Moltkestraße 34, 79098 Freiburg
freiburger.strassenschule@sos-kinderdorf.de www.freiburgerstrassenschule.de.
Mechthild Blum, BV

Was macht die Freiburger Straßenschule? Ein Interview von Mechthild Blum

Bürgerblatt (BBL): Eine Organisation, die sich um Jugendliche kümmert, die sowieso schon mit einem geregelten Alltag nicht so gut klar kommen, nennt sich Straßenschule? Schreckt die der Begriff Schule nicht ab?
Christine Devic:
Das funktioniert einwandfrei. Wir haben es mit interessierten jungen Menschen zu tun, die unser humanistischer Ansatz überzeugt. „Eine Schule fürs Leben“ hilft gerade dann gut weiter, wenn nicht alles rund läuft.

BBL: Was sind das für Jugendliche, die zu Ihnen kommen? Und wieviele etwa betreuen Sie?
Devic: Wir begleiten jährlich rund 450 bis 500 wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte junge Menschen zwischen ca. 15 bis 27 Jahre. Häufig haben sie Schwierigstes erlebt und aktuell kein Vertrauen mehr in Mitmenschen.

BBL: Wenden sich an sie auch welche, die aus der Gruppe der Asylsuchenden kommen?
Devic: Lange haben wir nichts gespürt von der Ankunft junger Geflüchteter. Wo bei anderen Trägern mit der Volljährigkeit jetzt Hilfen auslaufen, kommen wir jetzt neu ins Spiel.

BBL: Welche Probleme bringen die Jugendlichen mit? Fragen Sie sie danach?
Devic: Es ist meist ein langer Prozess bis wieder so viel Vertrauen da ist, dass sie damit beginnen können, zu erzählen. Ihre Geschichten und Herausforderungen sind individuell, reichen von Traumata in Familien über Mobbing im öffentlichen Leben bis zum plötzlichen Kippen der Lebenssituation etwa durch eine Arbeitgeberinsolvenz. Die offensichtlichsten Herausforderungen sind dann zum Beispiel Wohnungsverlust und Schulden. Die weniger offensichtlichen Themen sind aber ebenso wichtig anzugehen, damit es wieder funktionieren kann: Selbstbewusstsein und Scham, emotionale Folgen und psychische Erkrankungen.

BBL: Kann die Straßenschule ihnen helfen? Und wenn ja: Bei was?
Devic: Wir akzeptieren und respektieren die Jugendlichen erst einmal so wie sie sind. Nehmen sie ernst und bieten uns immer wieder als zuverlässige Ansprechpartner*innen an. Schon das tut gut, wenn man Ablehnung und Ausgrenzung gewohnt ist. Und: Es ermöglicht ihnen auf Dauer, Unterstützungsmöglichkeiten überhaupt erst annehmen zu können. Unser Hilfsangebot ist dann sehr umfassend. Es startet bei Alltäglichem, bei Dingen, die wir zuhause tun können, die aber auf der Straße nicht so einfach möglich sind: sei es duschen, waschen, warme Mahlzeiten kochen. Auch das Angebot ein Postfach einzurichten ist wichtig, um maßgebliche Dinge wieder regeln zu können. Unser Internetzugang wiederum ist sehr gefragt für die Wohnungssuche.

BBL: Was können sie ihnen an weitergehender Unterstützung bieten?
Devic: Beratung, Begleitung und Ermutigung mit dem Ziel, Orientierung im Leben und eine gute Zukunftsperspektive zu finden. Ganz wichtig dabei: Möglichkeiten, sich auszuprobieren und auszudrücken, ohne, dass Bewertung stattfindet. Und Situationen, die Entwicklung zulassen, deren Richtung noch nicht vorgegeben ist. Sehr gute Erfahrungen machen wir immer wieder in unserem Kreativraum, in dem handwerklich, künstlerisch und musikalisch gearbeitet wird. Sie wären erstaunt, welche Begabungen da zu Tage treten! An genau denen lohnt es sich anzuknüpfen, anstatt Fokus und Energie ausschließlich auf vermeintliche Defizite zu richten. Unsere Wohnprojekte bieten außerdem die Möglichkeit, wohnen (wieder) zu lernen und trotz des angespannten Wohnungsmarkts den Weg zurück in festen Wohnraum zu schaffen.

BBL: Wie muss man sich einen Aufenthalt in der Straßenschule vorstellen?
Devic: Das kommt ganz darauf an, in welchem Teilprojekt man gerade steht. Beim Streetwork und in unserer Tagesanlaufstelle geht es sehr gemeinschaftlich und frei gestaltbar zu. Im Bereich unserer Einzelbegleitungen für besonders junge Straßenjugendliche gibt es dagegen einen enger abgesteckten Rahmen, der mit dem Amt für Kinder, Jugend und Familie abgesprochen ist. Auch wer in unsere Wohnprojekte einzieht, steht bereits an einem Punkt, an dem er spezifischere Ziele verfolgt und sich an seinen selbst formulierten Entscheidungen messen lassen muss.

BBL: Wie sieht Ihr Betreuungsansatz aus?
Devic: Das Erfolgsrezept unserer Einrichtung heißt selbst machen – dabei lernen und wachsen die jungen Menschen am besten. Ob es ihre Persönlichkeit betrifft oder bestimmtes Wissen und Kompetenzen, bspw. für berufliche Pläne. Unsere Mitarbeiter*innen sind als eine Art Rückgrat immer da und dabei, helfen aus oder stellen sich auch mal als Sparringpartner zur Verfügung, an dem man sich reiben und Konflikte austragen kann.

BBL: Wo gehen die Jugendlichen hin, wenn die Straßenschule schließt?
Devic: Die Besucher*innen der Tagesanlaufstelle verteilen sich abends auf vorrübergehende Schlafgelegenheiten bei Bekannten und auf die Straße. 13 Personen wohnen in unseren Wohnprojekten.

BBL: Arbeiten sie auch mit anderen Organisationen zusammen? Zum Beispiel wenn es um medizinische Fragen geht, psychologische Behandlung, finanzielle Belange?
Devic: Ja, das tun wir gern und viel. Wir tauschen uns laufend aus oder begleiten die jungen Menschen zu Terminen in anderen Einrichtungen. Sie „weiterzureichen“ funktioniert bei unseren Besucher*innen meist nicht; das aufgebaute Vertrauen ist Personenbezogen und überträgt sich nicht einfach weiter.

BBL: Haben sie auch mit Drogenproblemen und/oder Kriminalität zu tun und wie gehen Sie damit um?
Devic: Straße auszuhalten ist ein harter Brocken, da hilft vorrübergehend auch mal Betäubung, sicher. Und ganz plakativ: stellen Sie sich vor, sie hätten ihren Job verloren, könnten die Rechnungen plötzlich nicht mehr zahlen, müssten deshalb auch aus Ihrer Wohnung raus und wollten unterschlupfen bei Verwandten in Hamburg. 700 km Schwarzfahren gelingt selten und schon kommen sie das erste Mal in Konflikt mit „Recht und Ordnung“. Das passiert schneller, als wir uns alle vorstellen können, dessen sollten wir uns fairerweise bewusst sein. Der Austausch, sowohl mit Betroffenen, als auch mit zuständigen Organen läuft gut und in der Regel sehr konstruktiv.

BBL: Wie finanziert sich die Straßenschule?
Devic: Das ist kurz und knapp zu beantworten: überwiegend aus Spenden. Ohne private Zuwendungen und die Unterstützung von Stiftungen und Fördervereinen könnten wir die Aufgabe nicht erfüllen.

BBL: Wieviele Betreuungspersonen kümmern sich um die Jugendlichen? Sind es bezahlte Arbeitskräfte oder Ehrenamtliche? Mit welcher Ausbildung?
Devic: Bei uns ist Fachpersonal enorm wichtig. Die jungen Menschen befinden sich neben den Herausforderungen der Straße mitten im altersbedingten Entwicklungsprozess. Hier geht es nicht um „Verpflegung“, sondern um langfristige Wege. Neben sieben hauptamtlichen Sozialarbeiterinnen und Sozialpädagoginnen unterstützen uns in unserer Tagesanlaufstelle auf ehrenamtlicher Basis regelmäßig zwei Ärzte durch eine medizinische Beratung, ein Regionalleiter einer Bank durch Hilfestellungen bei Schulden und neuerdings eine Richterin durch eine rechtliche Beratung. Momentan suchen wir außerdem Förderer für eine sozialpsychiatrische Schnittstelle.

BBL: Wie sieht Ihre Erfolgsbilanz aus: Gibt es Jugendliche, die durch Ihre Arbeit wieder in den Alltag zurückfinden und ihn selbständig meistern?
Devic: Ja sicher, überwiegend. Teils mit Studium und Ausbildung, in Dienstleistungsberufen und als Selbständige. Je nach Ausgangslage ist es auch schon zu würdigen, wenn jemand seinen Wohnsitz stabil halten kann und nicht dauerhaft auf Hilfesysteme angewiesen ist.

BBL: Die Räume der Straßenschule in dem unrenovierten Altbau an der Schwarzwaldstraße sind nicht gerade als Luxusräume zu bezeichnen und sie sind auch mit knapp 80 Quadratmetern sehr klein. Besteht die Aussicht, etwas größere und komfortablere zu bekommen?
Devic: Absolut, man kann uns definitiv nicht anspruchsvoll schimpfen. Aufgrund der deutlich gestiegenen Anzahl an Besucherinnen, brauchen wir aber dringend neue Räume – in Fußnähe zur Stadt und etwa 150 Quadratmeter groß Wir sind dankbar um jeden, dieder uns ein Angebot machen kann! Entgegen möglicher Befürchtungen sind wir sehr gute Mieter; dauerhaft, solvent, was die Mieten angeht, und nur von Montag- bis Freitagnachmittag anwesend. Mit unseren Vermieterinnen und der jeweiligen Nachbarschaft pflegen wir immer ein gutes Miteinander.

BBL: Bekommen Sie Unterstützung von der Stadt Freiburg? Wenn ja: In welcher Form?
Devic: Wir erhalten einen jährlichen städtischen Zuschuss von 30 000 Euro. Der Bedarf liegt natürlich deutlich höher und wächst laufend, so argumentieren wir vor jeder Haushaltsdebatte wieder für mehr. In den Bereichen Einzelbegleitung und Wohnen profitieren wir von Pauschalen für bestimmte Stundenkontingente. Wo sich der Satz an älteren Wohnungslosen orientiert, stocken wir selbst auf, da der Bedarf bei jungen Menschen höher liegt.