Wohnen mit bezahlbaren Mieten oder erschwinglichem Eigentum ist zurzeit in aller Munde. In Freiburg gibt es vom Oberbürgermeister und der Bürgermeister*innen-Riege angefangen keine Stadtratsfraktion, die sich in letzter Zeit nicht zu diesem Thema geäußert hat. Die Tagespresse ist ebenfalls voll davon. Die Situation ist allen klar. In Boom- Städten wie Freiburg reicht gut verdienen nicht mehr aus. Werden Städte wie Freiburg mehr und mehr zur Wellnesszone für Wohlhabende?
Gebaut wurde in den letzten Jahren viel in Freiburg. Laut statistischem Jahrbuch 2017 wurden für 2016 ca. 1700 Baugenehmigungen erteilt. Das spricht für den Fleiß der Genehmigungsbehörde. Bauzeitbedingt gab es im Erfassungsjahr jedoch nur knapp 420 Baufertigstellungen. Es geht aber nicht nur darum, wie viel gebaut wird, sondern, für wen. Ein bundesweiter Anbieter von Studentenapartments versprach für seinen Neubau „Living cum laude“. Wir benötigen jedoch für die breite Mittelschicht kein Wohnen mit Auszeichnung, die meisten Menschen pfeifen auf „cum laude“. Sie brauchen günstige Mieten oder erschwingliches Wohneigentum.
Untätigkeit kann man den Politikverantwortlichen in Freiburg nicht unterstellen. Der Freiburger Gemeinderat hat Anfang Dezember 2018 in seiner Ein-Themen-Sitzung Veränderungen in Freiburgs Wohnungspolitik beschlossen wie man sie in dieser Anhäufung noch nicht sah. Freiburgs neuer Stadtteil Dietenbach soll zu 50 Prozent aus geförderten Mietwohnungen bestehen. Den Beschluss für die Gesamtstadt gab es zwar schon, weil er aber zu selten angewendet wurde, wollte die Mehrheit des Gemeinderats dies als Signalwirkung verstehend noch einmal untermauern. Wenn „Luxussanierungen“ das soziale Gefüge eines Viertels zu verändern drohen, oder städtebauliche Veränderungen erhaltenswerter Bausubstanz zu Ungunsten von nicht passenden Neubauten drohen, will die Stadt künftig mit Erhaltungssatzungen einschreiten. Das könnte erstmals im Stadtteil Waldsee, in der Quäkerstraße und in der Auwaldstraße passieren, wenn dort Verhandlungen mit den jeweiligen Bauträgern nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Weitere Beschlüsse: Das von OB Horn veranlasste Moratorium bis Ende 2019 keine Mieterhöhung bei der Freiburger Stadtbau vorzunehmen wurde bestätigt. Zudem erging an die Stadtbau ein gemeinderätlicher Auftrag, ob und wie sie sozialen Wohnbau betreiben kann, wenn sie weder Mieterhöhungen aussprechen noch Einnahmen aus dem Bauträgergeschäft erzielen darf. In der Kinderserie „Bob, der Baumeister“ ruft Bob: „Können wir das schaffen?“, die menschenähnlichen Maschinen antworten im Chor: „Yo, wir schaffen das.“ Wenn Martin Horn ruft: „Können wir das schaffen?“, antworten 48 Stimmen: „Schauen wir mal.“
So lustig diese Passage klingen mag, wie das Problem des bezahlbaren Wohnraums, -ob als Mieter oder Mittelstands-Käufer- gelöst werden kann, ist die neue soziale Frage nicht nur für Freiburg, sondern aller Großstädte. Die schnellstmögliche Problemlösung wird das zentrale Stadt-Thema der kommenden Jahre sein.
Doch wo gibt es Stellschrauben? Der Mietspiegel? Im boomenden Markt ein zahnloser Tiger; Die Grunderwerbsteuer? Ländersache; Die Bauordnung? Ländersache; Die Sozialwohnungen?
Hier scheint zumindest im Mietsektor der Schlüssel zu liegen. Die von der Stadt eingeleitete „Wohnraumoffensive“, die 50% geförderten Wohnbau ernsthaft anzugehen und damit einer Vielzahl von Menschen wohnen in der Stadt zu ermöglichen ist bestimmt kein falscher Weg. Das bedeutet jedoch, dass die Kommune ein deutlich höheres Maß an sozialer Verantwortung und an Finanzrisiko übernehmen muss als bisher. Will man künftig zu veräußernde Bauflächen verstärkt nur noch jenen zukommen lassen, die sich dem Allgemeinwohl verpflichten, etwa Baugenossenschaften oder gemeinnützige Firmen, bedeutet das Rückgrat zu zeigen oder standhaft mit freien Investoren darüber zu verhandeln. Klar ist, der Kampf um jeden Quadratmeter im Bestand der Stadtfläche ist bereits seit Längerem eröffnet. Den schwächeren Haushalten droht die Verdrängung in die Peripherie, so dass die Kita-Erzieherin dann eine stundenlange Fahrzeit in Kauf nehmen muss. Ökonomisch und ökologisch ein Unsinn.
Der Kern des Problems ist also bekannt, es gibt zu wenig Wohnungen und es werden zu wenige neu gebaut. Besonders fatal für Geringverdiener und Alleinerziehende. Es gibt immer weniger Sozialwohnungen und es werden noch weniger, weil in den kommenden Jahren weitere Wohnungen aus der Sozialbindung herausfallen. Analysten beziffern die Zahl der fehlen Wohnungen auf rund 6000.
Wo kann aber das notwendige Bauland zur Lösung des Problems herkommen? Durch Nachverdichtung und das Aufstocken zusätzlicher Etagen kann auch auf bereits bebauten Flächen neuer Wohnraum entstehen. Im Verhältnis zu „Flächenstädten“ wie Hamburg oder Berlin bietet Freiburg hierfür jedoch wenig Potenzial. Die drohenden Konflikte mit den bisherigen Anwohnern, die den Neubau verhindern, verzögern oder einschränken können sind hierbei noch gar nicht in Rechnung gestellt. Im derzeitigen Flächenbestand ist bei der vorhandenen Flächenknappheit und bei den bestehenden Bodenrichtwerten von ca. 350 Euro/m² (Munzingen) bis 12.000 Euro/m² (Altstadt) dieser Lösungsansatz unter sozialverträglicher Betrachtung illusorisch. Deswegen ist die Ausweisung von ausreichend neuem Bauland die Lösung für die Erweiterung des Flaschenhalses für mehr bezahlbaren Wohnungs- Neubau. Damit sozial verträgliche Mieten und erschwingliches Wohneigentum in Freiburg eine Zukunft hat führt kein Weg an der Ausweisung von ausreichend neuem Bauland vorbei. Es ist keine „Hurra, wir haben die Lösung“ Entscheidung, aber bei der Abwägung des zuvor beschriebenen Szenarios sehen wir die Lösung des Freiburger Wohnproblems im neuen Stadtteil Dietenbach.
Die Initiative „Aktion Bürgerentscheid Rettet Dietenbach“ hat dafür gesorgt, dass Freiburg vor dem sechsten Bürgerentscheid steht. Damit der Bürgerentscheid und der Termin der Kommunalwahl (26.Mai 2019) nicht kollidieren wurde als Termin der Sonntag, 24. Februar 2019 festgelegt. Auf dem Wahlzettel wird die Frage stehen: „Soll das Dietenbachgebiet westlich der Besançonallee unbebaut bleiben?“ Was bedeutet: Wer für den neuen Stadtteil ist, muss mit Nein stimmen. Wer dagegen ist, muss sein Kreuzchen beim Ja-Kästchen machen.
Hans Lehmann, BV