Die Stadt hat den Begriff Bürgerbeteiligung durch den Begriff Öffentlichkeitsbeteiligung ersetzt und stellte hierzu Anfang Mai ihre neue Broschüre „Richtschnur Öffentlichkeitsbeteiligung für Bau- und Planungsprojekte“ vor, vermerkte jedoch in der Einführung der Broschüre, dass die genannten Zielsetzungen grundsätzlich auf alle Dezernate und Ämter übertragbar sind.
Eine Öffentlichkeitsbeteiligung wird von der Stadt als eine Erweiterung der Bürgerbeteiligung gesehen. Begründet wird dies mit der Vielzahl von Akteuren einer Stadtgesellschaft, wie Bürger*innen, aber auch Institutionen, Organisationen, Kirchen, Vereine, Verbände, Initiativen, Unternehmen, Kammern, Träger und viele weitere. Es liest sich wirklich gut, was niedergeschrieben wurde. Der Fokus soll auf eine „dialogisch orientierte Öffentlichkeitsbeteiligung mit informellen, auf den beiderseitigen Austausch und auf kooperative Problemlösung angelegte Verfahren“ gerichtet werden. Damit soll das Zusammenwirken von Bürgerschaft, Verwaltung und Politik ergänzt werden und die repräsentative Demokratie gestärkt werden. Schlussendlich wird aber ausdrücklich auf das Recht des Gemeinderates zur Letztentscheidung hingewiesen. Dieser Hinweis ist auch richtig und wichtig, denn gewählte Gremien sollen und müssen immer Entscheidungs-Priorität vor Verwaltungsentscheidungen haben. Aufgrund mangelnder Fachkompetenz vieler der gewählten Vertreter*innen und der Komplexität der Gesetzesvorgaben erleben wir jedoch gerade im Bau-und Planungsbereich der Stadt oftmals das Gegenteil.
Deswegen erhoffen wir als Bürgerverein uns von der nun öffentlich postulierten Absicht der Stadt, Bürger deutlicher, – vor allem in Bau- und Planungsprojekte- mit einem echten Beteiligungsverfahren einzubeziehen, einiges. Bisher bestand die formelle Beteiligung der Öffentlichkeit in dem im Baugesetzbuch
vorgeschriebenen zweistufigen Beteiligungsverfahren. Versprochen wird nun, dieses mit frühzeitiger Öffentlichkeitsbeteiligung, öffentlicher Auslegung und begleitender Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu tun. Interessant bei den in der Broschüre genannten Zielsetzungen sind die beiden feststellbaren „ inneren und äußeren“ Handlungsfelder. Zuerst werden die eigenen Mitarbeiter*innen der Bauverwaltung angesprochen, insbesondere diejenigen, die sich im Rahmen ihrer Tätigkeit mit Öffentlichkeitsbeteiligung und Kommunikation befassen. Sie werden regelrecht auf die Pflicht öffentlich zu kommunizieren eingeschworen. Eine Systematisierung der Rahmenbedingungen wird beschrieben, Qualitätsstandards genannt und auf ein praxisorientierten Vorgehen der Öffentlichkeitsbeteiligung und Kommunikation hingewiesen. Wir fanden jedoch keine Aussagen in der Broschüre wieviel Bürgerbeteiligung durchzuführen ist. Deshalb wäre es besonders wichtig, dass sich die jeweilige Amtsspitze dem Beteiligungsauftrag verpflichtet fühlt und sich als Führungspersonen um das richtige Maß der Projektbeteiligung auch wirklich kümmert. Entsprechende eigene Haltungen des Führungspersonals und ausreichende personelle Ressourcen sind hierbei unabdingbare Gelingens- Faktoren. Hierbei ist die Stadtverwaltungs-Spitze letztinstanzlich in der Verantwortung. Fakt ist, dass wir die Bemühungen der Stadt, mehr Transparenz in ihr Handeln zu bringen, sehr positiv bewerten. Wenn die in der Broschüre genannten Zielsetzungen von der Verwaltung tatsächlich aufgegriffen und umgesetzt werden, könnte eine „Win-Win-Situation“ entstehen, die in Zukunft ein aufwendiges Nachsteuern von Prozessen minimieren könnte. Ein weiteres positives Signal, dass es die Stadt ernst mit der Öffentlichkeitsbeteiligung meint, ist die kurz nach der Veröffentlichung der Richtschnur erschienene Vorhabenliste bei Bau- und Planungsprojekten. Diese steht im Internet der Stadt Freiburg unter www.freiburg.de/vorhabenliste zur Verfügung. Hiermit informiert das Baudezernat die Öffentlichkeit proaktiv und frühzeitig über Vorhaben. Für Baubürgermeister Martin Haag ist diese Vorhabenliste ein zentrales und wichtiges Instrument um Öffentlichkeitsbeteiligung machbar zu gestalten. Die Vorhaben sind in einer interaktiven Karte und in einer Liste dargestellt. Zur schnellen Orientierung sind die Informationen in der Vorhabenliste nach räumlicher Lage und nach Themen gegliedert. Nicht alles was in Freiburg gebaut wird, hat für die Liste Relevanz. Folgende Kriterien für die Aufnahme in die Liste müssen vorliegen: Das Vorhaben im Bau- und Planungsbereich hat ein Finanzvolumen von mindestens 5 Millionen Euro, die in der Verantwortung der Stadt Freiburg liegen. Am Vorhaben besteht ein starkes stadtweites Interesse der Bürgerschaft und das Vorhaben betrifft mindestens das Gebiet eines ganzen Stadtteils. Die Vorhabenliste wird kontinuierlich erweitert und ist tatsächlich eine Plattform, sich als Bürger zu Wort melden zu können. Die provokative Überschrift, ob die neue Stadtoffensive einer Öffentlichkeitsbeteiligung nur alter Wein in neuen Fässern ist, prognostizieren wir mit einem klaren „Jein“. Für das „Ja“ der Wortkreuzung, dass es tatsächlich nur alter Wein ist, sehen wir in dem Problem der jetzt schon überlasteten Verwaltung, die ohne Personalaufstockung kaum eine Chance für eine erhöhte Öffentlichkeitsbeteiligung hat. Das „Nein“ stünde für die Hoffnung, dass es tatsächlich gelingt, die Öffentlichkeit früher, systemischer und transparenter mit einzubeziehen. Wir sind grenzenlose Optimisten.
Hans Lehmann, BV