OST TRIFFT WEST – Roma und arabische Jugendliche aus dem Stadtteil auf Rügen

Aus der Enge der Flüchtlingswohnheime, aus der Alten Stadthalle und der Hammerschmiedstraße, öffnete sich in diesem Sommer für 25 Jugendliche – Roma, Syrer und Iraker – ein Weg in eine andere Ecke Deutschlands: eine Fahrt für 10 Tage auf die Ostseeinsel Rügen, einschließlich eines zweitägigen Besuchs in Berlin. Das Bundesbildungsministerium übernimmt jedes Jahr die Kosten für dieses vom Roma Büro Freiburg veranstaltete „Sommerkulturcamp“, das der Integration in die deutsche Gesellschaft und der politischen Bildung dient.

Foto: Samuel Franklin

Neu war in diesem Jahr aber die Mischung der Teilnehmenden. Neben den Romajugendlichen waren sechs junge Syrer und Iraker Teil der Gruppe und entsprechend lautete das Thema: „Islamischer Staat. Religion, Politik und Gesellschaft bei uns und im Nahen Osten“. Mit dieser brisanten Aufgabe im Gepäck erreicht die Gruppe den Ort Trent auf Rügen, ein Landstrich, in dem sich 25% der Bevölkerung zur AfD bekennen, und wurden überrascht. Die Bürgermeisterin begrüßte sie herzlich und die Ortsansässigen begegneten ihnen offen. Die Tage wurden von Tomas Wald, dem Projektinitiator und Vorsitzenden des Romabüros, klar gegliedert: vormittags Workshop mit der Aufgabe, in Arbeitsgruppen Kurzfilme zum Thema zu erstellen und selbst Ton und Musik dazu zu produzieren. Ebenso mussten sich die Jugendlichen um die nötigen Kulissen, Kostüme, Schminkarbeiten kümmern. Besonders das eigene Komponieren der Musik, nämlich nicht einfach aus dem Smartphone heruntergeladene Songs, waren eine echte Herausforderung. Dazu kam das eigenverantwortliche Erstellen einer Story und der Dramaturgie.
Diese Aktivitäten blieben in dem kleinen Ort natürlich nicht lange verborgen und das Interesse und der Respekt der Einheimischen wuchs. Die Abwanderung der eigenen Jugend prägt den Ort und so ergaben sich Gespräche mit überwiegend älteren Leuten, die einem interessanten Verlauf nahmen. Nachdem die anfängliche Skepsis überwunden war stellte sich heraus, das Flucht und Vertreibung auch dort in den Biografien gehäuft eine Rolle spielt. Eine für beide Seiten fruchtbare Erfahrung, die über die Jugendlichen wieder zurück in unseren Stadtteil getragen wird.

Tomas Wald: »Wir haben in Trent eine Gastfreundschaft und offene Herzlichkeit erlebt wie bisher noch an keinem Ort. Mit kistenweise Obst, Gemüse und Getränken wurden wir empfangen. Die Bürgermeisterin kam mit Kartoffeln und Äpfeln – gab auch gleich ein interview: gerne würden sie Flüchtlingsfamilien aufnehmen. In dem Dorf leben fast nur noch alte Menschen, nicht mal einen Einkaufsladen gibts da. Unsere Jugendlichen wurden da als Belebung und Bereicherung empfunden. Wenn wir ganze Nächte ums Lagerfeuer Lieder sangen galt dies nicht als nächtliche Ruhestörung. Wir richteten ein gemeinsames Fest aus, wo die eine Hälfte mit vorbereiteten Speisen und Getränken kam und mit uns feierte, die andere blieb hinter den Gardinen und streute Gerüchte. Bei den Gesprächen kam heraus, dass sehr viele am Ort als Kinder selber Flüchtlinge des 2. Weltkriegs meist aus Ostpreußen waren und dies bis heute in starken verkrustete Wunden mit sich tragen. Sie fingen an von ihrer Flucht zu reden.«

Text: Constanze Fetzner