Gut 30 Leute waren der Einladung des Bürgervereins gefolgt, um sich von Carola Schark den Stadtteil Oberau mit seiner reichen Vergangenheit zeigen zu lassen. Begrüßt von Constanze Fetzner, der stellvertretenden Vereinsvorsitzenden, auf „exterritorialem Gelände“ am Schwabentor, ging es zunächst zum Hexenwegle (offiziell Augustinerweg, aber das sagt kaum jemand) und zur ehemaligen Pappenfabrik Strohm mit dem Industriedenkmal Kollergang, einem Mahlwerk zum Quetschen des Rohmaterials für die Pappenfabrikation. Im ehemaligen Rheintacho-Werk befindet sich jetzt das Black Forest Hostel, ein weiteres Beispiel für den Nutzungswechsel vom Gewerbe zum Wohnen. Durch die Mühlenstraße – ihr Name erinnert an die einst zahlreichen Mühlen am Gewerbekanal – ging es zum ehemaligen Heim der Fabrikarbeiterinnen der Firma Mez; diese Form des Wohnens sollte die jungen Frauen von unnützen Tätigkeiten wie „abendlichem Spazierengehen“ abhalten. Fragt sich, ob sie nach einem Zwölf-Stunden-Arbeitstag dazu überhaupt noch die Kraft hatten.
In der Straße Oberau stehen weitere schöne Gebäude im Jugendstil, der sich in Freiburg erst recht spät gegen den Historismus durchgesetzt hat. Meist wurden sie von der Firma Mez für ihre Angestellten erbaut; an der Ecke zur Fabrikstraße die recht schön renovierte ehemalige Gaststätte „Kaiserhof“. Jenseits der Dreisam ein kurzer Blick auf die einstige „kleinste Schnürsenkelfabrik“ Dietz, dann ging es durch das Wohngebiet zwischen Hindenburg- und Runzstraße. Ursprünglich erbaut für Angehörige der französischen Streitkräfte ist es jetzt im Besitz der Landesentwicklungsgesellschaft. An der Ecke Runz- und Bleichestraße stand einst die Schulmöbelfabrik Gerteis am Dillenmühlenkanal, der längst verfüllt ist. Allenfalls die „Stromschnellen“ der Dreisam erinnern noch an das frühere Wehr, an dem er abgezweigt ist.
Das Emmi-Seeh-Heim, erbaut in den 1950er Jahren von der Arbeiterwohlfahrt, verzichtete auf Schlafsäle für die Bewohner(innen), heute unvorstellbar, aber seinerzeit ein gewaltiger Fortschritt. Durch den ehemaligen Anzuchtgarten der Stadtgärtnerei, von dem noch einige prächtige Bäume zeugen und wo heute die Musikhochschule steht, ging es schließlich zur 1951 von Alfred Giese erbauten Friedenskirche. Mit ihrer Klinkerfassade erinnert sie an Norddeutschland, mit ihrem frei stehenden Glockenturm (Campanile) an Italien.
Mit lebhaftem Applaus dankten die Teilnehmer(innen) den Erklärungen von Carola Schark, und die Wolken hielten sich mit ihren Regentropfen freundlicherweise bis zum Abschluss des Spaziergangs zurück.