Rund 120 Besucher kamen am 27. Februar in die Aula der Gertrud-Luckner-Gewerbeschule in der Kirchstraße, um sich über die Möglichkeiten und Chancen einer Erhaltungssatzung für die Wiehre zu informieren
Gibt es keinen Denkmalschutz, keinen Bebauungsplan und keine Erhaltungssatzung, dann können Häuser kaum vor einem Abriss bewahrt werden. Dieses Schicksal traf in den letzten Jahren einige markante Häuser der Wiehre; sie wurden durch teils völlig von der Umfeld- Architektur abweichende Neubauten ersetzt. Auf Abriss-Einwände des Bürgervereins kam immer aus dem Baurechtsamt der lapidare Verweis auf rechtliche Restriktionen. Hauptargument war das unantastbare Eigentumsrecht, welches verhindere, dass die Stadt gegen solche Abrisse etwas unternehmen könne. Unsere Recherchen bei Städten mit vergleichbarer Struktur erbrachten andere Botschaften. Vor allem Heidelberg schafft es seit mehr als fünfzehn Jahren, mit Erhaltungssatzungen seine Stadtgebiete zu schützen. Das war für uns ein Signal, Annette Friedrich die dortige Leiterin des Stadtplanungsamts zu uns einzuladen.
Wir erlebten eine charismatische, weil von Ihrer Botschaft überzeugte Stadtplanerin, die nicht nur einen fachlich hochinteressanten und anschaulich bebilderten Vortrag hielt, sondern im Anschluss an ihren Vortrag keiner der vielen Fragen vom Publikum oder vom Podium auswich. Ihre Botschaft war klar und eindeutig und immer pro Erhalt der alten (erhaltenswerten und nur dieser) Bausubstanz. Auf Nachfragen konnte sie durch Beispiele die Wichtigkeit von Erhaltungssatzungen untermauern. Diese haben sich bewährt, „radikale Bauanträge“ seien seither kaum noch eingegangen, weil die Bauherren das „Signal“ erkannt haben. Eine unglückliche Rolle nahm an diesem Abend der im Publikum sitzende ehemalige Baurechtsamtleiter ein. Seine Redebeiträge untermauerten, dass er ein erklärter Gegner von Erhaltungssatzungen ist. Er lehnte dieses Instrument als aufwändig und nutzlos ab. Seine Aussagen gipfelten darin, dass er behauptete, dass Erhaltungssatzungen die Innenentwicklung von Städten verhinderten. Frau Friedrich hatte jedoch gerade zuvor in Ihrem Vortrag gezeigt, dass genau das Gegenteil richtig ist, wenn ein eindeutiges Signal von den Verantwortlichen gegeben wird. Der Um- oder Ausbau der Häuser sei dennoch möglich, die Stadt Heidelberg berate dazu die Eigentümer. Zusammen werden Lösungen gesucht und umgesetzt. „Einfach sei der Weg nicht, der Prozess erfordere viele Diskussionen und einiges an Aufwand, aber die Mühe lohnt sich“, so Frau Friedrich.
Die Botschaft des Abends war klar. Ortsbildprägende Gebäude sollen erhalten bleiben. Die beiden Wiehre Bürgervereine drängen nun darauf, dem Beispiel Heidelbergs zu folgen. Ob als Instrument Erhaltungs- und Gestaltungssatzungen genutzt werden, die es erlauben, einen Abriss zu untersagen, wenn das Gebäude zum Ortsbild beiträgt, oder ob eine Gesamtanlagenschutzsatzung gemäß §19 Denkmalschutzgesetz, oder ob typische Grünstrukturen besonders geschützt werden sollen, müssen die Fachleute im Freiburger Stadtplanungsamt vorgeben. Wichtig ist uns, dass etwas geschieht.
Unterstützt wurde der Appell der beiden Wiehre Bürgervereine durch die ebenfalls im Publikum anwesende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Freiburger Bürgervereine, Ingrid Winkler. Sie forderte bei der Veranstaltung eindringlich die neun anwesenden Stadträt*innen auf, unbedingt die beiden Wiehremer Bürgervereine zu unterstützen und Erhaltungssatzungen für Freiburg auf den Weg zu bringen. Aus der Runde der Stadträ*innen war herauszuhören, dass die Veranstaltung für sie ein Signal war, ihren bereits gestellten interfraktionellen Antrag zur Erstellung von Erhaltungssatzungen baldmöglichst einzuklagen, damit die historische Bausubstanz in der Stadt besser erhalten werden kann. Klar wurde an diesem Abend auch, dass es kein einfacher Weg werden wird. Frau Friedrich berichtete, dass die zusätzliche Arbeit nicht zu unterschätzen sei. In ihrem Stadtplanungsamt beschäftigten sich zwei Mitarbeiterinnen nur mit diesem Thema, auch beim Baurechtsamt werden hierfür Kapazitäten benötigt. Ebenfalls seien zusätzliche Haushaltsmittel nötig, z. B. für Gutachten. In Heidelberg habe der Erhalt des Stadtbildes jedoch immer eine hohe Priorität gehabt. Das Thema muss allerdings von der Verwaltung und von der Politik mit starkem Gewicht versehen werden.
Vor dem Referat von Frau Friedrich hatte Joachim Scheck (Vistatour) in einem Bildvortrag gezeigt, wie sehr sich der Stadtteil in den vergangenen Jahren bereits verändert hat. Vorher-Nachher Bilder aus der älteren und der jüngeren Vergangenheit erinnerten daran, was es nicht mehr gibt. Unser Engagement in Sachen Erhaltungssatzungen soll dazu beitragen, dass es in Zukunft keine Vorher-Nachher Bilder mehr zu sehen gibt.
Hans Lehmann, BV
Eine Erhaltungssatzung ist eine Satzung, die die Gemeinde für bestimmte schützenswerte Gebiete beschließen kann. Sie dient dem Erhalt der städtebaulichen Eigenart eines Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt.
Was bewirkt eine Erhaltungssatzung?
Für den Bau, die Veränderung oder den Abriss von baulichen Anlagen (d. h. Gebäuden, aber zum Beispiel auch Mauerresten oder Brunnenanlagen) gibt es im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung besondere Regelungen. So kann der Abbruch einer baulichen Anlage untersagt werden, wenn diese entweder allein oder im Zusammenspiel mit anderen Anlagen das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägt, oder wenn die Anlage sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung ist. Die Errichtung einer Anlage darf untersagt werden, wenn die Baumaßnahme die städtebauliche Gestalt des Gebiets beeinträchtigen würde. Maßgeblich für diese Beurteilungen sind die Ziele, die in der Erhaltungssatzung auf Grundlage einer Ortsbildanalyse genannt werden.
Wie kann eine Erhaltungssatzung aufgestellt werden?
Für den Erlass einer Erhaltungssatzung gibt es keine Verfahrensvorschriften. Das bedeutet, dass es ausreicht, wenn der Gemeinderat die Erhaltungssatzung beschließt. In Heidelberg ist das Verfahren an das Bebauungsplanverfahren angelehnt: Der Gemeinderat fasst sowohl einen Aufstellungs- als auch einen Offenlagebeschluss. Während der Offenlage des Entwurfes findet zusätzlich eine Informationsveranstaltung für interessierte Bürgerinnen und Bürger sowie eine Beteiligung der Behörden und sonstiger Träger öffentlicher Belange statt. Nach Abwägung der eingegangenen Stellungnahmen durch den Gemeinderat wird der Satzungsbeschluss gefasst.