Die Doppelhaushälfte Neumattenstraße 18 wurde um 1930 von Josef Ruby, einem der führenden Freiburger Zentrumspolitiker und Direktor der „Katholischen Volkshilfe“, erbaut; im Hinblick auf seine zwölf Kinder nannte er es „Haus Kinderglück“. Die Familie war im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv; so verhalf er manchen Verfolgten zur Flucht in die Schweiz oder versteckte sie; seine Frau Elisabeth geb. Poensgen verweigerte die Annahme des Mutterkreuzes mit der Begründung, man könne wohl Kühe prämieren, aber nicht Frauen. In der NS-Zeit hatte sie Anspruch auf das Mutterkreuz in Gold, weil sie „deutschblütig, erbgesund, sittlich einwandfrei“ (NS-Terminologie) war und mindestens acht Kinder geboren hat. Seit 1957 gilt das Mutterkreuz als verfassungsfeindliches Propagandamittel.
Als nach dem Krieg die meisten Kinder das Elternhaus verlassen hatten, wurde die freigewordenen Zimmer an Studenten vermietet, ganz überwiegend an solche der Theologie, sodass das Haus in Anlehnung an das Priesterseminar Collegium Borromaeum scherzhaft „Collegium Rubianum“ genannt wurde.
Einige dieser Studenten machten später Karriere in der katholischen Kirche, so Heinrich Maria Janssen (1957 – 1982 Bischof von Hildesheim), Heinrich Mussinghoff (1995 – 2015 Bischof von Aachen) und Rainer Maria Woelki (2011 Erzbischof von Berlin, seit 2012 Kardinal, seit 2014 Erzbischof von Köln). Er berichtet über seine Zeit in der Neumattenstraße: „Von Oktober 1979 bis Juli 1980 verbrachte ich meine Freisemester in Freiburg und wohnte im Hause Ruby. Kennengelernt habe ich dabei allerdings nur Elisabeth Ruby und ihren Priesterbruder Karl, dem sie den Haushalt führte. Karl Ruby lebte sehr zurückgezogen. Sicherlich war Elisabeth Ruby eine tief fromme, kirchliche Frau, für die die tägliche Mitfeier der hl. Messe sowie die tägliche Betrachtung selbstverständlich waren. Elisabeth Ruby hatte die Gabe, die hier wohnenden Studenten für alle möglichen Aktivitäten einzuspannen, angefangen vom Rasenmähen bis zum Einkaufen. Ich wollte mich nicht ganz vereinnahmen lassen und bemühte mich, immer möglichst schnell an ihrer Küche vorbei auf mein Zimmer zu kommen.“
Unter den sonstigen studentischen Bewohnern (1936) des Hauses ist Karl Leisner besonders erwähnenswert. Nach seiner Weihe zum Diakon konnte die geplante Priesterweihe nicht erfolgen, weil ihn seine plötzlich festgestellte Lungentuberkulose zur Ausheilung nach St. Blasien führte. Wegen einer Äußerung im Zusammenhang mit dem gescheiterten Elsner-Attentat auf Hitler 1939 verhaftet, kam er über die Gefängnisse in Freiburg und Mannheim sowie das KZ Sachsenhausen schließlich Ende 1940 ins KZ Dachau. Dort wurde er vom ebenfalls inhaftierten Gabriel Piguet, seit 1933 bis zu seinem Tod 1952 Bischof von Clermont, 1944 zum Priester geweiht. Seine Primiz ist die einzige von ihm gehaltene Messe.
1945 aus dem Lager befreit, wurde Leisner in das Sanatorium Planegg eingeliefert, wo er am 12.8. gestorben ist. 1996 wurde er in Berlin von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen; der Todestag ist sein Gedenktag.
Im Jahre 2011 wurde das Haus Kinderglück abgerissen und durch einen Neubau ersetzt; die rechte Doppelhaushälfte vermittelt einen Eindruck, wie es ausgesehen hat.
K.-E. Friederich, BV