Der SC Freiburg hofft mit neuen Spielern auf eine sorgenfreiere Saison
Nur wenigen Arbeitnehmern ist es vergönnt, nach ihrem Urlaub mit Applaus und freundlichen Zurufen wieder an ihrem Arbeitsplatz begrüßt zu werden, eines der Privilegien von Fußballprofis. Es ist Montag, 2.Juli, 10 Uhr, pünktlich zum ersten Training der neuen Saison stehen viele SC Fans Spalier, als Spieler und Trainer aus der Kabine Richtung Rasenplatz schreiten. „Hallo Christian, mach‘s gut!“, „Nils, schade, dass der Jogi dich daheim gelassen hat.“, „Hey Florian, wieder fit?“
Der Ton der SC Fans freundlich, fast schon freundschaftlich an diesem Morgen. Herrliches Wetter, der SC hat die Sommerpause genutzt, um auf dem Trainingsplatz einen neuen Rollrasen zu verlegen; bessere Bedingungen zum Üben, wie es Trainer Christian Streich gerne ausdrückt, sind schwer vorstellbar. Und so gehen die jungen Männer in den neuen blauen Trainingsshirts auch behände zu Werke. Die ersten Pässe, kernige Zweikämpfe und Torschüsse, es ist kaum zu übersehen, wie sehr sie sich an ihren Arbeitsplatz zurückgesehnt haben. Und unter den Fans beginnt das alljährliche muntere Rätselraten: Wer ist der mit den Locken, ist das da drüben der Gondorf, wer ist denn der, der sieht aber noch verdammt jung aus?
Es ist der Versuch die neuen Spieler zu erkennen und möglichst gleich zu sehen, ob die was draufhaben, will heißen, ob sie dem SC beim alljährlichen Kampf um den Klassenerhalt helfen können. Ein guter Gradmesser: Christian Streich. Der macht an diesem Morgen einen sichtlich zufriedenen Eindruck, schaut, läuft ein paar Schritte, schaut wieder, dehnt sich ein bisschen, zwei, drei Worte mit einem Spieler, weiter geht’s. „Ja“, sagt Streich, „ich habe lange genug Urlaub gehabt, jetzt freue ich mich wieder auf das Training, auf die Arbeit mit den Jungs.“ Genauso sieht es aus. Er wirkt so, wie ein Schüler der morgens in den Matheunterricht geht und nicht nur alle Hausaufgaben gemacht hat, sondern die Stochastik auch voll verstanden hat, will heißen, egal, was der Lehrer fragen wird, ihm kann nichts passieren. Dass trifft natürlich auf den SC Freiburg nur bedingt zu. Passieren kann im Fußball sowieso immer was, aber um noch einmal auf die Stochastik zurückzukommen, der SC versucht die Wahrscheinlichkeit eines möglichen Abstiegs so klein wie möglich zu halten. Deshalb haben auch die Verantwortlichen im Frühsommer ihre Hausaufgaben besonders gewissenhaft gemacht. Der Verein hat ganz offensichtlich aus den Fehlern der vergangenen Saison die richtigen Schlüsse gezogen. Jochen Saier und Clemens Hartenbach haben frühzeitig für Verstärkungen gesorgt, die diese Bezeichnung auch verdienen. „Das ist schon sehr positiv, wie das die letzten Wochen gelaufen ist“, lobt Streich, „wir haben gute Typen dazu geholt, Typen, die zu uns passen, und wir haben keine Leistungsträger abgeben müssen.“ Bis jetzt, schiebt Streich noch nach, denn bis Ende August ist das Transferfenster offen und im Fußball kann alles bekanntlich sehr schnell gehen. Mit den guten Typen sind vor allem die drei Spieler aus der Bundesliga gemeint, die das Trikot des SC heute zum ersten Mal tragen. Sie kennen die Liga, können sofort eine Hilfe für den Sportclub sein.
Jerome Gondorf zum Beispiel. Kommt aus einer fußballverrückten Familie aus der Nähe von Karlsruhe, wurde vom Ligakonkurrenten Werder Bremen losgeeist, wo er, man hört es heraus, wohl doch zu weit weg vom Badischen war. „Es ist ein schönes Gefühl, wieder in der Heimat zu sein“, so Gondorf, „wo man sich wohl fühlt, kann man auch seine besten Leistungen bringen, und das sei eben hier im Badischen.“ Er kenne Christian Streich noch aus seiner Zeit als Jugendspieler beim KSC. Er erzählt das mit einem Gesichtsausdruck, der ahnen lässt, dass er Christian Streich schon anders erlebt hat, als bei dieser ersten entspannten Trainingseinheit. „Ich finde den Trainer ziemlich spannend, freue mich darauf, mit ihm zusammenzuarbeite
n. Ich glaube, dass wir in Freiburg einiges bewegen können.“ Worte, die bei den Fans immer gut ankommen. Denn sie nähren die Hoffnung auf eine gute Saison.
Ähnliches ist von seinem neuen Kollegen Dominique Heintz zu vernehmen. Ein spitzbübisches Lächeln lässt ahnen, dass man mit sehr viel Spaß haben kann, wenn man nicht gerade sein Gegenspieler ist. Als Innenverteidiger ist er eher ein Spaßverderber für gegnerische Angreifer. „Ich habe mit Christian Streich super Gespräche geführt“, seine Augen beginnen bei diesen Worten zu leuchten, „ lange Gespräche, sehr viel über Fußball, aber auch über Privates. Das hat mir wahnsinnig imponiert, dass sich jemand so um mich bemüht, das habe ich noch nicht erlebt“. So fiel die Wahl für seinen neuen Arbeitgeber leicht. Freiburg statt Köln und damit ein bisschen näher an seiner Pfälzer Heimat. „In einer guten Stunde bin ich daheim, aber ich will mich erst hier in Freiburg einleben, da habe ich total Lust drauf.“ Und da ist es wieder, dieses gewinnende Lächeln, das einen trotzdem keinen Augenblick an der Ernsthaftigkeit seines Vorhabens zweifeln lässt. Gute Typen eben, auch Luca Waldschmidt, der vom HSV nach Freiburg gekommen ist. Für alle zusammen und für die Verpflichtung von Philipp Lienhart, der bisher nur ausgeliehen war, hat der Sportclub einige Millionen bezahlen müssen. Aber die Verantwortlichen beim SC wissen: das war auf jeden Fall deutlich günstiger als ein möglicher Abstieg. Und so eine nervenaufreibende Saison, wie die Vergangene, wollen weder Streich noch die SC Fans nicht schon wieder erleben müssen.
Fast wie Neuzugänge zwei Altbekannte: Florian Niederlechner und Yoric Ravet, die beide in der vergangenen Saison verletzungsbedingt kaum helfen konnten. Jetzt sind auch sie bereit zu großen Taten.
So erklärt sich die gute Stimmung zum Saisonauftakt bei Christian Streich und seinen Trainerkollegen. Beim SC Freiburg herrscht eine deutliche bessere Personalsituation als zum gleichen Zeitpunkt des vergangenen Jahres.
Nach diversen Freundschaftsspielen in der Vorbereitung wird es am 20. August zum ersten Mal ernst für den Sportclub: Pokalspiel gegen Energie Cottbus. Am Wochenende darauf folgt das erste Bundesligaspiel gegen Frankfurt. Dann wird man sehen, wie Streich das Personalpuzzle seiner neuen Mannschaft zusammensetzt, eines sagt Streich ist aber klar: „ Der Konkurrenzkampf in der Mannschaft wird dieses Jahr groß sein, und das ist auch gut so.“
Stephan Basters, BV