Die Freiburger Kommission zur Überprüfung der Straßennamen, insbesondere unter dem Aspekt eines aggressiven Antisemitismus, hat vorgeschlagen, bei der „Zasiusstraße“ auf einer Zusatztafel den Vermerk anzubringen:
„Ulrich Zasius (1461-1535), Jurist und Humanist. Schöpfer des Freiburger Stadtrechtes mit judenfeindlichen Bestimmungen.“
Dieser Text scheint mir unangemessen.
Es geht hier nicht darum, die ausschließlich religiös motivierte Judenfeindschaft von Zasius schönzureden. Jedoch ist festzuhalten, dass es sich bei den fraglichen Bestimmungen des Freiburger Stadtrechts nicht um eine „Schöpfung“ von Zasius handelte. Zasius hatte von der Stadt Freiburg den Auftrag erhalten, eine Zusammenfassung aller bereits bestehenden stadtrechtlichen Rechtvorschriften zu erstellen. Demgemäß nahm Zasius – dem erteilten Auftrag entsprechend – lediglich bis dahin schon bestehende judenrechtliche Bestimmungen der Stadt Freiburg in diese Sammlung auf. In dieser nahmen sie überdies nur einen ganz marginalen Raum ein. Sie enthielten nur das Verbot des geschäftlichen Umgangs mit Juden und die Regelung, dass nur die Gastwirte der Stadt den Juden Herberge gewähren dürfen, sowie die Androhung einer Geldstrafe bei Verletzung dieser beiden Bestimmungen.
Überdies ist zu bedenken: Dem christlichen Antijudaismus, den Zasius zweifellos mit den meisten seiner Zeitgenossen teilte, fehlte die rassistische Komponente, die den modernen Antisemitismus ausmacht.
Das erhellt augenscheinlich aus der Tatsache, dass nach damaliger christlicher Auffassung eine Jude durch die Taufe ein makellos neuer Mensch wurde, was so weit ging, dass sogar juristisch ernsthaft die Frage diskutiert werden konnte, ob ein Jude nach seiner Taufe überhaupt noch für Taten bestraft werden konnte, die er vor der Taufe begangen hatte. Auf diesem Hintergrund erklärt sich auch der juristisch sicherlich anfechtbare Versuch Zasius‘ in seiner Schrift „De parvulis judaeorum baptisandis“ (übersetzt etwa: „Über die Taufe von Judenkindern“) die gegen den Willen der Eltern durchgeführte Taufe eines jüdischen Jungen durch den mit ihm befreundeten Freiburger Münsterpfarrer Kohler zu rechtfertigen, obwohl dem die Bestimmungen des kirchlichen und weltlichen Rechts eindeutig entgegenstanden.
Ich meine daher, dass es zwar richtig und wichtig ist, den Antijudaismus von Ulrich Zasius in Erinnerung zu halten. Ein Tafelzusatz der beabsichtigten Art ist jedoch nicht geeignet, dem Leser ein abgewogenes Bild von Ulrich Zasius zu vermitteln, der zu seiner Zeit neben dem Italiener Andreas Alciatus und dem Franzosen Guilelmus Budaeus zum juristischen Dreigestirn Europas zählte,
Hinzu kommt die Zufälligkeit, die einem solchen Verdikt anhaftet, je nachdem welcher Kenntnisstand bei den Entscheidungsgremien besteht. In seiner Schrift „Erasmus‘ Stellung zu Juden und Judentum“ (Tübingen 1969) resümiert der zuletzt an der Universität Basel wirkende Rechtshistoriker und Humanismus Forscher Guido Kisch (1889-1985): „Wie bei dem großen Juristen Zasius so lässt sich auch bei dem Humanisten Fürsten Erasmus angesichts objektiver kritischer Forschung die Erinnerung an ihn von dem schmerzlich bedenklichen Makel nicht befreien, der durch seinen tiefgründigen Judenhass sein Charakterbild beschattet“ (S. 38 f).
Für die „Erasmusstraße“ in Freiburg hat die Kommission jedoch einen entsprechenden Zusatz, den ich freilich ebenfalls für unangebracht hielte, nicht vorgesehen.
Dr. jur. Wilhelm Güde, Weismannstrasse 6, 79117 Freiburg