Beratung auf der Straße? Oft geht es gar nicht anders. Die Psychologin Johanna Mergel ist seit einem Jahr für die Freiburger Straßenschule und deren Projekt „DrachenFlieger“ zuständig. Hier geht es um sogenannte aufsuchende Hilfe für psychisch erkrankte Straßenjugendliche. Ermöglicht hat es die „Aktion Mensch“ mit der festen Zusage einer fünfjährigen Förderung. Mitte November besuchten jetzt Erol Celik und Anja Incani, eine Delegation des Förderbereichs Kinder und Jugendliche der „Aktion Mensch“ die Freiburger Straßenschule: Sie wollten sich nach den bisherigen Erfahrungen des Projekts erkundigen.
Johanna Mergel erklärt auf der Website der Freiburger Straßenschule, warum die psychologische Begleitung und Beratung wohnungsloser junger Menschen so wichtig ist: „Psychische Beschwerden sind in unserer Gesellschaft stärker verbreitet als die meisten Menschen glauben. Straßenjugendliche sind davon genauso betroffen, wenn nicht stärker. Viele von ihnen haben in ihrem Leben traumatische Erfahrungen gemacht. Depressionen, sexuelle Gewalt oder Sucht sind oft keine Unbekannten für sie.“
Von den klassischen psychologischen, psychotherapeutischen und psychiatrischen Anbietern allein werden obdachlose und wohnungslose junge Menschen aufgrund ihrer Lebensumstände und der Rahmenbedingungen der Dienste aber kaum erreicht. Für sie ist es ungleich schwerer, Kontakte zu Beratungsstellen und psychologischer Hilfe aufzunehmen. Mergel erklärt: „Das Leben auf der Straße kostet Kraft und Zeit. Es ist nicht leicht, Termine zu organisieren, wenn du tagsüber damit beschäftigt bist, wo dein nächster Schlafplatz ist oder wie du an etwas zu Essen kommst (. . .) Viele Straßenjugendliche haben Hunde, die dürfen nicht mit in eine psychotherapeutische Praxis. Wer passt so lange darauf auf?“
Die Verbindung von sozialpädagogischer Herangehensweisen mit psychologischem Know-How und Netzwerk, die Johanna Mergel mit dem Team der Freiburger StraßenSchule schafft – sie macht sich zu Fuß und mit dem Fahrrad auf in die Lebenswelt der Jugendlichen und jungen Erwachsenen – kann unkonventionell und unbürokratisch überall dort Hilfe anbieten, wo sich die jungen Menschen aufhalten und Unterstützung wünschen. Junge Menschen, deren psychische Belastungen und Erkrankungen durch das Leben auf der Straße verstärkt werden. Hier ist eine Intervention dringend nötig: „Ihr Verelendungsprozess und ihre endgültige Marginalisierung verlaufen um ein Vielfaches rasanter, als es ohnehin auf der Straße der Fall ist“, heißt es in der Projektbeschreibung von „DrachenFlieger“, das durch die „Aktion Mensch“ gleichzeitig als Modell für andere Träger gefördert wird.
Der Bürgerverein Oberwiehre-Waldsee hatte vor zwei Jahren 500 Euro für die Freiburger Straßenschule spenden können.
Mechthild Blum BV