Neben der Flüchtlingswelle rollt auf uns Bürger derzeit eine tsunamiartige Riesen-Informationswelle zu, deren Inhaltsfülle uns beinahe erschlägt. Der Versuch einer Aufschlüsselung.
Mitte Juli ging das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge von ca. 400.000 Flüchtlingen aus, die alleine im Jahr 2015 in die Bundesrepublik Deutschland kommen werden. Mitte August wurde die Zahl auf 800.000 korrigiert, der zuständige Bundesinnenminister Maizière erwartet aktuell 1.000.000 Flüchtlingen bis zum Jahresende.
Als Flüchtling gilt, wer das Land dessen Staatsangehörigkeit er besitzt verlassen hat, weil dort Verfolgung droht. Gründe hierfür können Kriegswirren und/oder die Zugehörigkeiten zu bestimmten religiösen, ethnischen oder sozialen Gruppierungen sein.
Die deutsche Rechtsordnung unterscheidet zwischen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, der Anerkennung des Asylrechts und der Anerkennung auf subsidiären Schutz. Beim letztgenannten müssen stichhaltige Gründe vorgebracht werden, dass Bewerbern im Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht.
Die Flüchtlingseigenschaft ist ein rechtlicher Status, der Asylbewerbern in Deutschland förmlich zuerkannt wird, wenn die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt werden. Bis zur Klärung des Statutes von Flüchtlingen erhalten die Asylbewerber für die Dauer des Aufnahmeverfahrens eine Aufenthaltsgestattung, die nach der Anerkennung als Flüchtling in die deutsche Staatsangehörigkeit münden kann.
Abgelehnte Aufenthaltsgestattungen können durch zeitlich begrenzte Duldungen ersetzt werden.
Stadtbezirks- Flüchtlingswohnheim Hammerschmiedstraße Foto Lehmann
Fakt ist jedoch, ob Aufenthaltsgestattung oder Duldung, jedem Flüchtling muss nach deutschem Recht grundsätzlich ein Wohnsitz in einer Kommune zugewiesen werden.
Die Zuweisung erfolgt über den sogenannten „Königsteiner Schlüssel“, in dem festgelegt wurde, wie die Bundesländer an gemeinsamen bundesrepublikanischen Aufgaben zu beteiligen sind. Dieser Schlüssel wir jährlich neu berechnet. Aktuell liegt der Anteil von Baden-Württemberg bei 13 % und davon werden der Stadt Freiburg wiederum 2,33% zugewiesen.
Kommen bis zum Jahresende tatsächlich und offiziell die prognostizierte Zahl von eine Million Flüchtlingen nach Deutschland, bedeutet dies für die Stadt Freiburg folgendes:
13% von 1.000.000 = 130.000 für Baden-Württemberg. (Zum Vergleich: auf dem Höhepunkt des Jugoslawien-Krieges im Jahr 1992 kamen knapp 52.000 Menschen nach Baden-Württemberg). Von 130.000 Flüchtlingen 2,33% für die Stadt Freiburg = 3029 Flüchtlinge (alleine 2015).
Noch im Juni dieses Jahres ging die Stadtverwaltung von rund 350 Flüchtlingen aus, die im zweiten Halbjahr 2015 zu den bereits schon vorhandenen rund 1600 Flüchtlingen hinzukommen. Das wären dann am Jahresende 2015 ca. 2000 Flüchtlinge gewesen. Nach den neuesten Hochrechnungen würde Freiburg jedoch über 3000 Flüchtlinge oder zusätzlich 1,5% neue Stadtbewohner aufnehmen müssen.
Das sind Menschen, die die Stadt Freiburg als Kommune zu versorgen hat, nachdem diese von einer der zentralen Landeserstaufnahmestellen (LEA) der Stadt zugewiesen wurden.
Stadthalle Freiburg: ab November geplantes vorübergehendes „Puffer-Wohnheim“ für Flüchtlinge
Zuständigkeit des Landes- Zuständigkeit der Stadt
Zurzeit gibt es vier Landeserstaufnahmestellen (LEA) und weitere Bedarfsmäßige (BEA) Aufnahmeeinrichtungen. Hier werden grundsätzlich die Neuankömmlinge registriert, gesundheitlich untersucht und können dort einen Asylantrag stellen. Spätestens nach drei Monaten in einer LEA sollen sie auf die Städte und Landkreise Baden-Württembergs weiterverteilt werden. Wegen völligen Überlastung der LEAs wurden sogenannte bedarfsorientierte Erstaufnahmeeinrichtung (BEA´s) eingerichtet.
Bekanntlich wurde eine BEA Anfang September in Freiburg auf dem Gelände der Polizeiakademie in der Lörracher Straße eröffnet. Hierzu stehen zwei Leichtbauhallen zur Unterbringung, eine Verpflegungs- und Aufenthaltsbereich-Halle, sowie Container für Verwaltung, Krankenstation und den Sanitärbereich zur Verfügung. In der Freiburger BEA plant das Land mindestens 500 Menschen zumindest vorübergehend unterbringen.
Festzuhalten gilt: Freiburg beherbergt zurzeit Flüchtlinge mit unterschiedlichstem Status. Zum einen sind es Flüchtlinge, die der Stadtverwaltung zugewiesen wurden und für die sie das alleinige „Sorgerecht“ trägt (eventuell bis zu 4000 Personen bis Ende 2015), zum anderen sind es die ca. bis zu 500 Flüchtlinge in der BEA Lörracher Straße, für die das Land zuständig ist.
Allen muss jedoch geholfen werden. Das ehrenamtliche Engagement der Baden-Württemberger ist enorm. In vielen Orten gibt es Initiativen und Organisationen, die sich um Flüchtlinge kümmern. Sie rufen neue Asylfreundeskreise ins Leben, veranstalten Sprachcafés oder Gottesdienste für Asylbewerber. Auch wenn es um weitere Unterbringungsmöglichkeiten und Perspektiven für Asylsuchende geht, werden Baden-Württemberger kreativ und bieten Wohnraum oder Kontakte an.
Was können wir vor Ort tun?
Willkommen ist schön, helfen ist besser.
Für die BEA Flüchtlinge (Landeszuständigkeit) in der Lörracher Straße wurde hierfür Anfang September vom Regierungspräsidium (RP) eine Hotline eingerichtet, die darüber informiert, wo und wie Flüchtlingen geholfen werden kann. Erste Informationen gibt es unter Tel. 0761/2084200 oder fluechtlingshilfe@rpf.bwl.de. Infos zu ehrenamtlicher Hilfe gibt das Rote Kreuz unter Tel. 0761/885080 oder ehrenamt@bea-freiburg.de; Infos zu Sachspenden bei der Betreiberfirma „European Homecare“ unter Tel. 0170/2191065. Alles Infos auf einen Blick unter http://www.rp-freiburg.de.
Für den Großteil der Flüchtlinge, die bereits auf die Stadt verteilt worden sind oder noch verteilt werden und uns im Stadtteil Oberwiehre-Waldsee- Oberau unmittelbar tangieren, gibt es ebenfalls Kontaktadressen für Hilfe-Willige.
Bevor die in der Überschrift genannte Euphorie zu groß wird, bedarf es einiger wichtiger Hinweise.
Alle offiziell am Flüchtlingsaufnahmeverfahren Beteiligten werden trotz großem Engagement derzeit schlicht weg von der Situation überrollt. Die in kürzester Zeit angelaufenen sehr herzlichen und umfänglichen Unterstützungs- und Hilfsangebote ob Zeit- oder Sachspenden sind aktuell sehr schwer vernünftig und zielgerecht zu managen. Deshalb bittet die Stadt Freiburg derzeit hauptsächlich um Geldspenden für den Freiburger Flüchtlingsfonds. Der Freiburger Flüchtlingsfonds wird von der Wilhelm Oberle-Stiftung verwaltet. Die Mittel werden durch ein Expertengremium gemäß den Schwerpunkten an Initiativen und Institutionen weitergeleitet. Ziel des Fonds ist es, das zivilgesellschaftliche Engagement um Flüchtlinge zu unterstützen.
Spendenüberweisung:
Bankverbindung: Wilhelm Oberle -Stiftung, Sparkasse Staufen
IBAN DE30 6805 2328 0009 4540 00, Stichwort Freiburger Flüchtlingsfonds
Eingesetzt wird dieser Fonds für:
- Sprachtraining und Übersetzungshilfe
- Kinder und Jugendliche (Hausaufgabenbetreuung)
- Helferkreise / Runde Tische (Projektmittel)
- psychosoziale Betreuung (Begleitaktivitäten)
- allgemeiner Pool (übergreifende Aktivitäten)
Wir vom Bürgerverein können Sie, liebe Leserinnen und Leser unseres Bürgerblattes nur bitten, derzeit Ihre Aktivitäten auf den Freiburger Flüchtlingsfonds zu konzentrieren. Für die insgesamt rund 350 Flüchtlinge, die aktuell bei uns im Stadtbezirk untergebracht sind (ca. 250 in der Hammerschmied Straße und weitere 100 in Wohnungen) besteht aktuell ein gutes Netzwerk von helfenden Akteuren. Vordringlicher Handlungsbedarf entsteht jedoch, wenn wie vorgesehen ab Ende Oktober/ Anfang November in der alten Stadthalle bis zu 350 Personen vorübergehend untergebracht werden müssen. Sehr positiv war die Reaktion von einigen Ärzten und hierbei vor allem von Kinderärzten in unserem Stadtgebiet, die uns signalisierten, dass sie an Zahlen der zu erwartenden Flüchtlinge interessiert sind, um schnelle gesundheitliche Hilfe leisten zu können.
Um von Ihnen aufkommende weitere Fragen wie die Flüchtlingsentwicklung in Freiburg und speziell in unserem Stadtbezirk zu bewerkstelligen sei, haben wir als Bürgerverein einen Exklusiv- Vor-Ort-Termin mit der Stadtspitze vereinbart.
Mittwoch, 14. Oktober 2015 um 19.00 Uhr
Musikhochschule Freiburg, Schwarzwaldstraße 141, 79102 Freiburg
Bürger- Informationsgespräch mit:
Herrn Oberbürgermeister Dr. Dieter Salomon,
Herrn Bürgermeister Ulrich von Kirchbach,
Herrn Amtsleiter für Wohnraumversorgung Werner Hein u.a.
Auf ein zahlreiches Erscheinen freuen wir uns.
Hans Lehmann, Vorsitzender BV