Thema Demenz- Interview mit Dr. med Margrit Ott, Uni Freiburg.

Sehr viele Menschen haben Angst davor, im Alter dement zu werden. Dr. Margrit Ott, arbeitet als Fachärztin für Psychotherapie, Psychiatrie und Innere Medizin im Zentrum für Geriatrie und Gerontologie (ZGGF) der Universitätsklinik Freiburg. Auf Einladung unseres Bürgervereins wird sie am 4. September 2023 im Galerieraum im Alten Wiehrebahnhof in einem Vortrag über die Erscheinungsformen von Demenzerkrankungen informieren. Für das Bürgerblatt (BBL) sprach mit ihr Mechthild Blum.

BBL: Frau Dr. Ott, wie äußern sich gewöhnlich Demenzerkrankungen?

Margrit Ott: Meistens bemerkt das nächste Umfeld Veränderungen der erkrankten Person. Anfangs handelt es sich häufig um milde Symptome. Das können neben Merkfähigkeitsstörungen auch sprachliche Veränderungen sein, oder solche der Bewegungsmöglichkeit. Orientierungsprobleme und eingeschränkte geistige  Leistungsfähigkeiten wie etwa bestimmte Pläne organisatorisch umzusetzen, können ebenso auftreten. Diese Abweichungen unterscheiden sich deutlich von der vergleichbaren Altersnorm. Es gibt auch Personen, die bei sich selbst wie durch ein Vergrößerungsglas kognitive Veränderungen bemerken und unter einen hohen Leidensdruck stehen. Bei Alzheimer oder Alzheimermischformen gehören auch eine ausgeprägte Vergesslichkeit des sogenannten Neugedächtnisses dazu. Inhalte aus früheren Lebensphasen sind dagegen meistens gut im Gedächtnis verankert.

BBL: Nach neuesten Berechnungen aus dem Jahr 2022 haben in Deutschland derzeit rund 1,8 Millionen Menschen eine Demenzerkrankung, heißt es. Welche Formen der Krankheit kennt man?

Ott: Demenz ist ein Oberbegriff für gut 50 verschiedene Formen. Und nicht alle Ärztinnen und Ärzte sind damit vertraut. Sie verlaufen sehr unterschiedlich. Die Ursachen sind vielfältig. Sie führen aber immer zum Verlust der kognitiven Leistungsfähigkeit.

BBL:  In welchen Zeiträumen entwickelt sich eine Demenz?

Ott: Veränderungen im Gehirn finden zehn bis 20 Jahre vor dem Ausbruch der Demenz statt. Und oft ist es am Anfang einer Demenz Erkrankung gar nicht einfach, sie als solche zu diagnostizieren.  Dabei spielen psychische wie körperliche Probleme ebenfalls eine Rolle. Es ist deswegen wichtig zu wissen, welchen Ursprung bestimmte Symptome haben. Eine relativ frühe Diagnostik kann dabei sehr hilfreich sein, um in diesen Fällen entsprechend therapeutisch helfen zu können., Es kann sich zum Beispiel um eine Depression und keine  Demenz handeln oder eine andere Erkrankung Ursache für die Verhaltensänderung sein. Das sollte man voneinander unterscheiden können. Die meisten Demenzen selbst haben hirnorganische Ursachen (primäre Demenz), welche bisher nicht heilbar sind.  

BBL: Wie gelangt man zu einer entsprechenden Diagnostik?

Ott: Indem man sich zum Beispiel von der hausärztlichen Praxis an entsprechende Fachärzte und -ärztinnen überweisen lässt oder um eine Sprechstunde im Neurozentrum der Universitätsklinik Freiburg bittet, die von den Hausärzten und -ärztinnen über ein Formular dort beantragt werden kann.

BBL: Kann man sich vor dieser Krankheit schützen? 

Ott: Oh, das ist ein großes Feld. Es gibt beeinflussbare Faktoren. Sie sind in der sogenannten Livingston-Studie von 2017, veröffentlicht in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet nachzulesen. Dazu gehören unter anderen Bewegung, normaler Blutdruck, ausgewogene (mediterrane) Ernährung, soziale Aktivitäten, gutes Hören und lebenslanges Lernen. 

BBL: Sie haben sich auch auf Psychotherapie für Menschen spezialisiert, die über 80 Jahre alt sind. Was sind die Hauptthemen, die älteren oder alten Menschen auf der Seele lasten? 

Ott: Oft geht es um Vereinsamung, um sozialen Rückzug, um Trauer, Verluste Zukunftsängste. 

Dazu kommen auch immer wieder Traumaerfahrungen der Kriegskindergeneration. Oder ganz praktische Fragen: Wie kann ich meinen Alltag so gestalten, auch mit Einschränkungen weiter in meiner vertrauten Umgebung leben und einen Umzug ins Pflegeheim möglichst verhindern. 

BBL: Noch vor Jahren wurde davon ausgegangen, dass ab dem 60sten Lebensjahr – ungefähr – Psychotherapien nutzlos sind . . . 

Ott: Aber das Gegenteil ist inzwischen wissenschaftlich erwiesen! Es lohnt sich, auch mit alt gewordenen Menschen zu arbeiten. In erster Linie für die Menschen selbst, die spüren, dass die ihnen verbleibende Lebenszeit eine Wertschätzung erfährt. Aber auch für pflegende Angehörige.

Zur Person:

Dr. med. Margrit Ott ist Fachärztin Psychiatrie & Psychotherapie
Innere Medizin; Geriatrie, Palliativmedizin, Naturheilkunde. Sie ist 

Mitglied der Fachgesellschaften DGGPP/DGPPN für Gerontopsychiatrie, Gerontopsychotherapie und Gerontopsychosomatik.

Vortrag:

Montag, 4. September, 17 Uhr
Galerie Alter Wiehrebahnhof Urachstraße 40, Freiburg im Breisgau