Stadtbildprägend erhebt sich das Lycée Turenne an der Schützenallee im Stil der Neo-Renaissance, dem bevorzugten Baustil für repräsentative staatliche Gebäude an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Erbaut 1906/07 als Großherzoglich Badisches Lehrerseminar, diente es bis 1933 der Ausbildung von (Volksschul-)Lehrern, denen die benachbarte Emil-Thoma-Schule für den Praxis-Erwerb zur Verfügung stand; im Ersten Weltkrieg war hier ein Lazarett untergebracht.
Während der NS-Zeit diente es zunächst verschiedenen Parteiorganisationen, auch war für kurze Zeit der Stab des Infanterie-Regiments 75 hier untergebracht, bis das Gebäude ab etwa 1940 als Reichsgendarmerieschule verwendet wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg von den Franzosen genutzt, spätestens seit Anfang der 1950er Jahren als Lycée Turenne. Eigentümer war zunächst der badische Staat, dann das Land Baden-Württemberg und ab 1970 die Bundesfinanzverwaltung. Der Name bezieht sich auf den französischen Generalmarschall Henri de la Tour d’Auvergne, vicomte de Turenne (1611 – 1675). Er gilt in Frankreich als bedeutendster Feldherr nach Napoleon. Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges war er Oberbefehlshaber der französischen Truppen in Deutschland und vertrieb die kaiserlichen Soldaten aus Freiburg und der ganzen Rheinebene. Ursprünglich Hugenotte trat er 1668 auf Wunsch Königs Ludwig XIV. zum Katholizismus über. Im Holländischen Krieg (dem zweiten Raubkrieg Ludwigs des XIV.) „verwüstete er die Pfalz aufs grausamste“, unmittelbar vor der Schlacht von Sasbach ist er gefallen.
Nach der deutschen Wiedervereinigung und dem Abzug der französischen Streitkräfte gelangte das Anwesen in den Besitz der Stadt (1992), die darin die Richard-Mittermaier-Schule sowie Teile des Walter-Eucken-Gymnasiums und der (städtischen) Musikschule untergebracht hat. Der Westflügel an der Seminarstraße steht seitdem ebenso wie die Turnhalle leer.
Dem Bürgerverein war diese Situation seit Jahren ein Dorn im Auge. Im März 2024 konnten wir dann endlich – nach allzu vielen Jahren des Wartens ( u.a. gab es im Vorjahr den völlig missglückten Versuch einer Rochade zwischen DFG, Berthold-Gymnasium und Walther-Eucken-Gymnasium) – Neuigkeiten zu berichten:
Die Emil-Thoma-Realschule soll in eine Gemeinschaftsschule umgewandelt werden. Dafür wird der Westflügel des Lycée Turenne endlich saniert, um so die notwendigen Räumlichkeiten bereit zu stellen.
In der Aprilausgabe des Bürgerblattes konnten wir dann auf der Basis eines Interviews mit dem Schulleiter der Emil-Thoma-Realschule, Herrn Muri, einen ausführlichen Artikel dazu veröffentlichen.
Eine neue Chance im und für das Lycée Turenne
Nachdem in den letzten Wochen bereits mehrfach in den Medien darüber berichtet wurde, dass die Stadt jetzt beabsichtigt, den Westflügel des Lycée Turenne zu sanieren, hatte der Bürgerverein Gelegenheit, den Schulleiter der Emil-Thoma-Realschule, Herrn Hans-Jürgen Muri, zur geplanten Umwandlung seiner Schule in eine Gemeinschaftsschule, unter Nutzung der dann sanierten Räumlichkeiten des Lycée Turenne, zu befragen.
„Längeres gemeinsames Lernen führt zu größerem Erfolg in jeder Schulstufe, das geht nur in der Gemeinschaftsschule“
betonte der Schulleiter in unserem Gespräch. Um den Unterschied zwischen Realschule und Gemeinschaftsschule zu erklären, beschrieb er zunächst, dass auf der Realschule die Schüler von Klasse 5 bis 10 beschult würden und dann am Ende den Realschulabschluss (M-Niveau) machten (alternativ inzwischen auch nach Klasse 9 den Hauptschulabschluss auf dem G-Niveau), alle Schüler auf dem gleichen Niveau unterrichtet würden und einer dieser beiden Abschlüsse bereits zu Beginn der Klasse 7 mehr oder weniger feststehe. Dagegen würden in der Gemeinschaftsschule die Schüler in jedem einzelnen Fach betrachtet. So könne eine Schülerin z.B. in Mathematik auf grundlegendem Niveau, aber möglicherweise im sprachlichen Bereich auf gymnasialem Niveau unterrichtet werden. Man könne somit zielgenauer mit Fertigkeiten und Fähigkeiten der Schüler:innen umgehen. Es gebe in den ersten Jahren keine Noten und kein Sitzenbleiben. Entscheidungen über Schulabschlüsse fielen dann erst am Ende von Klasse 8. Dazu komme, dass sich an die Klasse 10 eine gymnasiale Oberstufe anschließt, so dass ein Schüler von Klasse 5 bis zum Abitur auf derselben Schule bleiben könne.
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„Gesellschaft macht nicht halt vor der Schultür“
Ein weiterer sehr wichtiger Aspekt: die Gemeinschaftsschule ist immer inklusiv und eine Ganztagsschule, in der die Unterrichtenden besser auf individuelle Bedürfnisse und Probleme eingehen können. Das wird immer wichtiger, denn die Schülerschaft ist viel heterogener geworden, aber alle sitzen in einer Klasse. Deutlich zeigt sich diese Problematik auch an den aktuellen Wechselwünschen für Freiburg. Es gab 251 bearbeitete Anträge für die Klassen 5 bis 10, wobei 70 Prozent der Schüler:innen sich im Gymnasium überfordert fühlten. Die damit verbundene Frustration könnte, so Herr Muri, durch den Besuch einer Gemeinschaftsschule vermieden werden.
„Uns geht es wirklich um die Schüler, um die Erhöhung der Bildungschancen, weil man in einer Gemeinschaftsschule individueller auf den einzelnen Schüler eingehen kann und das Ganztagskonzept für viele Schülerinnen und Schüler stützend ist.“
Die Emil-Thoma-Realschule hat jetzt schon einen Schwerpunkt im umweltpädagogischen Bereich. Das Ganztagskonzept bietet zusätzliche Möglichkeiten für sportliche, musikalische, kreative und sprachliche Schwerpunkte außerhalb der „verkopften“ reinen Wissensvermittlung. Auch eine Mensa mit Mittagessen wird es dann geben.
Insgesamt wird sich die Schüler:innenzahl wohl verdoppeln von momentan 330 auf über 700. Schon jetzt ist das Einzugsgebiet der Schule nicht auf dem Stadtteil beschränkt. Die Gemeinschaftsschule würde dann von Schüler:innen aus ganz Freiburg besucht. Herr Muri wünscht sich aber, „dass dann mehr Kinder aus dem Stadtteil zu uns kommen, die bisher vielleicht aufs Gymnasium gehen.“
Offizielle Berechnungen besagen, dass es nach der Renovierung des Westflügels Platz für eine dreizügige Schule der Klassen 5 –10 gibt und zusätzlich noch Räume für eine zweizügige Oberstufe mit den Klassen 11/12/13.
„Dabei können die Bedarfe der neuen Gemeinschaftsschule in die Planungen für die Sanierung eingehen. Die Pädagogik steht im Vordergrund und daraus leiten wir ab, welche Räume wir brauchen, um die Pädagogik zu unterstützen. Das ist eine tolle Sache. Wir sind uns dessen bewusst. Das braucht Zeit und viel Geld. Aber wir wollen etwas machen, was den Kindern und Jugendlichen hilft, besser zu lernen als in unserm jetzigen System. Dadurch bekommen wir mehr Bildungsgerechtigkeit….Wir müssen umgestalten, damit wir die Schüler besser abholen können.“
Herr Muri erwähnte, dass sich durch die Renovierung vielleicht auch die Möglichkeit ergibt, z.B. für den Bürgerverein einen Treffpunkt zu bekommen. Das müsste aber die Stadt entscheiden.
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Kleiner Wermutstropfen am Ende des Gesprächs: Nach über 20 Jahren an dieser Schule geht Herr Muri im Juli in Pension und die Nachfolge ist noch nicht geregelt, es laufen aber Sondierungsgespräche. „Es wird jemand gesucht, der sich einer dreifachen Aufgabe stellt: Personalstamm und Konzept müssen entwickelt werden und man muss auch noch Architekt sein! Das ist eine schon starke Aufgabe.“
Uns hat die sehr wertschätzende Atmosphäre, die die ganze Schule ausstrahlt, beeindruckt und wir wünschen allen Beteiligten viel Erfolg bei der Umsetzung der Pläne, die der Bürgerverein gerne begleiten wird.
Sabine und Wolfgang Frucht, BV
Artikel Bürgerblatt, April 2024
Inzwischen hat seit dem Schuljahr 2024/2025 ein neuer Schulleiter den Platz des pensionierten Herrn Muri mit viel Engagement übernommen: Herr Marc Jooss. Weitere Infos zur Emil-Thoma-Realschule gibt es auf der Webseite der Schule.
Der Bürgerverein wird am Ball bleiben und die weitere Entwicklung zur Gemeinschaftsschule und natürlich die Sanierung des Lycée Turenne begleiten.