Interview mit Helen White, der neuen Rektorin des UWC Robert Bosch College

In der Novemberausgabe des Bürgerblatts haben wir über das zehnjährige Bestehen des College berichtet, wobei Helen White als neue Rektorin (seit Anfang dieses Schuljahrs) „mit Witz und Charme durch den Abend“ geführt hat. Inzwischen stand sie uns zu einem Interview zur Verfügung; die Fragen stellte Karl-Ernst Friederich.

Direktorin Dr. Helen White , Foto Daniel Schöner

Bürgerblatt (BBl): Ich freue mich, dass Sie uns persönlich zur Verfügung stehen, und frage zunächst, ob Sie wissen, was der Bürgerverein ist.

White: Bürgerverein Waldsee? Darüber weiß ich ein wenig Bescheid.

BBl: Ja; Oberwiehre-Waldsee-Oberau. Ich war Vorsitzender, als das College gebaut wurde, war davon begeistert und habe bedauert, dass ich zu alt bin, um hier als Lehrer zu arbeiten.

White (lacht herzlich): Sie sind auch Lehrer? Welche Fächer?

BBl: Biologie, Mathematik und Physik.

White: Ich auch für Biologie. In England habe ich 16 Jahre lang Biologie, aber auch Chemie und Physik unterrichtet.

BBl: Die letzten acht Jahre meines Berufslebens war ich in Rumänien und habe dort viele Projekte mit den Nachbarländern organisiert. Deshalb hat es mich gefreut zu lesen, dass Sie vorher am UWC in Duino [] waren.

White: Duino ist stark slowenisch und österreichisch, weniger italienisch, geprägt, deshalb ein sehr interessanter Ort.

BBl: Deshalb auch meine erste Frage: was ist gemeinsam zwischen Duino und Freiburg, was ist der Unterschied?

White: Beide Schulen sind ähnlich, Duino hat 180 Schüler, Freiburg 200. Beide sind ähnlich international. Die Lehrpläne sind auf das International Baccalaureate Diploma ausgerichtet. Das UWC in Duino ist jedoch in mehreren Gebäuden untergebracht, z. B. einem Neubau, umgebautem Hotel, Büro oder Laden, verstreut im ganzen Dorf. Hier in Freiburg haben wir ein Campus, das fördert die Gemeinschaft. Zudem ist es nicht weit in die Stadt, 10 min mit dem Fahrrad, in Duino waren es 30 min nach Triest. Trotzdem sind wir hier unter uns. Gemeinsam ist beiden Standorten die schöne landschaftliche Umgebung.

BBl: Was hat Sie bewogen, von Duino hierher zu kommen? Ihre Funktion als Vizerektorin hat sich ja nicht geändert.

White: In Duino waren meine unterrichtlichen Schwerpunkte Ökologie und Nachhaltigkeit. Als ich hörte, dass Nachhaltigkeit ein Schwerpunkt des UWC in Freiburg sein wird, dachte ich: das ist etwas für mich! Zwar hatte ich in Duino eine schöne Wohnung am Meer, mit viel Sonnenschein, aber noch mehr hat es mich gereizt, mich hier am Aufbau einer neuen Schule zu beteiligen. Darin sah ich eine Riesenchance für mich.

BBl: Was war Ihre Aufgabe als Vizerektorin hier?

White: Ich war für alles „außerhalb der Klassenzimmer“ zuständig, z. B. Projektwochen oder das gesellschaftliche und soziale Engagement außerhalb der Schule.

BBl: Jetzt sind Sie für alles zuständig. Unterrichten Sie noch?

White: Ja, das ist mir sehr wichtig, ich will den Draht zu Schülern und Kollegen behalten und mich nicht auf das Büro beschränken: Deshalb unterrichte ich 19 Schülerinnen und Schüler in Umweltwissenschaften.

BBl: Das kann ich gut verstehen. Wie ist es mit der Bürokratie, leiden Sie unter der deutschen Bürokratie?

White: Nein, denn in Italien war es schlimmer. In Deutschland ist es zwar viel Bürokratie, aber sie ist sinnvoll, meistens jedenfalls. In Italien war es oft sinnloser Selbstzweck. Hier ist es ähnlich wie in England, ist ok.

BBl: Sie haben jetzt zehn Jahre mit Herrn Nodder zusammengearbeitet. Gibt es Dinge, die Sie ändern wollen?

White: Meine Devise ist „evolution, not revolution“. Die ersten zehn Jahre waren Gründung und Aufbau. Ich versuche, etwas mehr am Thema Nachhaltigkeit zuarbeiten. Wir haben inzwischen 800 Alumni, Ehemalige. Deshalb möchte ich die Bindung zu ihnen ausbauen, das Alumni-Netz zu stärken, auch zum Zweck des Fundraising.

BBl: Sie haben Schüler aus rund 90 Ländern, auch aus solchen, die keine guten Beziehungen zueinander haben. Wie spielt sich das in Ihrer Schule ab?

White: Dieses Problem kenne ich schon von Duino. Vor allem müssen wir den Schülern ein Gefühl der Sicherheit vermitteln und sie befähigen, unterschiedliche Perspektiven zu akzeptieren. Russen und Ukrainer stellen fest, dass sie gar nicht sehr verschieden sind. Es sind nicht Konflikte zwischen den Schülern, sondern zwischen den Regierungen. Richtige Konflikte entwickeln sich aus der Frage, wann das Licht in den Schlafräumen gelöscht wird. Wir sagen: Ihr seid Personen, nicht Länder. Das haben wir mit Israel, Palästina und dem Libanon gemacht: eine Mahnwache für den Frieden. Es gibt so viele Konflikte in der Welt, wir kennen nur die größten. Ich denke an den Jemen und an Sudan. Die Schüler haben dann eine Mahnwache für den Frieden in der Welt gehalten.

BBl: Ich habe besonders aufgemerkt, als Sie von Russland und der Ukraine gesprochen haben: Haben Sie Schüler aus diesen Ländern?

White: Ja, aus Russland, der Ukraine (leben in Deutschland), Belarus, Litauen, Lettland, auch aus China, Taiwan und Hongkong. Die verstehen sich gut untereinander.

BBl: Das ist mit ein Grund, warum ich stolz bin, dass sich das UWC in Freiburg, in unserem Stadtteil befindet.

White: Wir fühlen uns in Freiburg willkommen und der Stadtteil Waldsee ist sehr schön.

BBl: Wo haben Sie Deutsch gelernt?

White: Vor Duino war ich an der Schule Schloss Salem, hatte Schüler für das International Baccalaureate. „Da brauchen Sie kein Deutsch.“ Von wegen! Sprachen sind nicht mein Ding, ich bin Naturwissenschaftlerin. Dann neun Jahre in Italien. Da habe ich gemerkt, Deutsch ist ja viel einfacher als Italienisch. Inzwischen habe ich auch einen deutschen Reisepass, dank Brexit. Hier habe ich Kurse an der Volkshochschule besucht und auch zusammen mit einer Klasse Deutsch gelernt.

BBl: Wie ist es mit den deutschen Schülern? Die wollten ja nicht auf ein UWC in Deutschland.

White: Eine gewisse Enttäuschung ist zu Beginn da. Aber durch Englisch als Umgangssprache und die internationale Atmosphäre verschwindet sie rasch, und sie genießen die Vorzüge: sie können hier ohne Probleme einkaufen und sich in der Stadt zurechtfinden, sie können für ihre Mitschüler dolmetschen, sie fühlen sich als Botschafter Deutschlands.

BBl: Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch. Für Ihre Arbeit wünsche ich Ihnen alles Gute: Kraft, Sensibilität und Gesundheit.