St. Ottilien gilt als eine der ältesten Wallfahrtsstätten Deutschlands. Die Anfänge der Wallfahrt sowie der Zeitpunkt des ersten Kirchenbaus sind umstritten und werden zwischen dem 7. und 13. Jahrhundert datiert. Die frühesten Belege der Wallfahrt nach St. Ottilien finden sich auf Urkunden aus den Jahren 1428 und 1456. Der Stiftung der heutigen Kapelle im Jahr 1503 durch das Freiburger Ehepaar Sprung ging demnach bereits ein Heiligtum voraus.
Die Wallfahrt geht auf die Legende der heiligen Odilia zurück: Odilia wurde um das Jahr 662 als Tochter des elsässischen Herzogs Etticho (auch Attich, Adalrich) auf dessen Burg Hohenburg (später: Odilienberg) geboren. Der Sage nach war sie blind. Aufgewachsen im Kloster, brachte ihr die Taufe das Augenlicht. Längst entschieden, ihr Leben im Kloster verbringen zu wollen, floh sie vor einer Heirat, die ihr Vater für sie beschlossenen hatte. Die Flucht endete an der Stelle des heutigen St. Ottilien. Gott erhörte die verzweifelte junge Frau, öffnete den Felsen und verbarg Odilia vor ihrem Vater. Geläutert von diesem göttlichen Wunder, übergab ihr dieser die Burg Hohenburg zur Gründung eines Klosters, welchem sie bis zur ihrem Tod 720 als Äbtissin vorstand. An der Stelle, an welcher sich der Fels geöffnet hatte, entsprang fortan eine Quelle. Dieser werden bis heute heilende Kräfte zugesprochen. Das Quellwasser soll Leiden des Kopfes und vor allem der Augen lindern können.
Die Blütezeit der Wallfahrt erlebte die Kapelle im 16. Jahrhundert. Nach manchmal bis zu zehn Messen am Tag wurde in der Regel gegessen. Oft geschah dies in der vom Waldbruder bereits im 16. Jahrhundert betriebenen Gaststätte. Der Dreißigjährige Krieg machte in St. Ottilien ab 1648 Instandsetzungen nötig; bis 1658 entstanden neue Altäre. Schwere Schäden erlitt der Bau auch während der Belagerung Freiburgs durch französische Truppen 1713. In den Jahren 1714 bis 1728 erfolgten Wiederaufbauten und die barocke Innengestaltung.
Das Schicksal St. Ottiliens zu Zeiten der Säkularisation war lange ungewiss. Die 1770 von Kaiser Joseph II. verfügte Aufhebung, die von der Stadt Freiburg zunächst abgewehrt werden konnte, wurde 1783 erneut bestätigt. Erst 1791 konnte die Stadt mit der Erlaubnis zur Wiedereröffnung St. Ottiliens aufatmen. Diese Dekrete ermöglichten 1807 auch die Abwendung einer 1806 geplanten Aufhebung durch die neue badische Regierung. Nach Auseinandersetzungen mit der Stadt sicherten richterliche Beschlüsse aus den Jahren 1868 und 1870 der katholischen Kirche das Eigentum an der St.Ottilien-Stiftung und dem Bruderhaus. 1885 erfolgte der Bau der Zufahrtsstraße, 1885 bis 1888 der Neubau des Bruderhauses und der Gaststätte. Die Gaststätte ist 1953 von der Stadt an die Pfarrei Maria-Hilf übergegangen. Sie gehört seit 1964 dem Erzbistum Freiburg.
Große Veränderungen im Inneren der Kapelle ergaben sich mit der Restaurierung in den Jahren 1966 bis 1968. Nach der Entdeckung von Wandmalereien aus der Zeit um 1503/1505 wurden die hochbarocken Seitenaltäre an die Seitenwände des Chors versetzt. Dabei entfernte man ebenso die gesamte barocke Gestaltung aus dem Jahr 1728, darunter der Wandputz und die Stuckdecke, zugunsten der älteren Wandmalereien. Innenraum und Dachstuhl wurden zuletzt 2017/18 saniert.
Heute ist St. Ottilien mit seiner Gaststätte ein beliebtes Ausflugsziel. Die Bevölkerung nutzt dabei unter anderem eine Waldstraße über den Schlossberg, den Oberbürgermeister Winterer vor rund hundert Jahren als Spazier- und Flanierweg zur Anbindung von St. Ottilien an die Altstadt für die Freiburger hatte bauen lassen.
Literatur
Bürgerverein Oberwiehre-Waldsee: Gute Nachrichten für die Wallfahrtskapelle St. Ottilien. https://oberwiehre-waldsee.de/2015/09/21/gute-nachrichten-fuer-die-wallfahrtskapelle-st-ottilien/ [23.11.2018].
Fritz, Astrid; Thill, Bernhard: Unbekanntes Freiburg. Spaziergänge in die Geschichte und die Welt der Sagen und Legenden, Freiburg: Rombach, 2015, S. 102–104.
Kalchthaler, Peter: Die Wiehremer „Waldheiligtümer“ Sankt Ottilien – Sankt Wendelin – Sankt Valentin, in: Fiek, Wolfgang; Kalchthaler, Peter (Hg.): 1000 Jahre Wiehre. Ein Almanach. 1008 – 2008, Freiburg: Promo, 2007, S. 90–101.
Vetter, Walter: Freiburg – ein Führer zu Kunst und Geschichte, Freiburg: Rombach, 1986.
Irina Strauß, Pädagogische Hochschule Freiburg, Freiburg 2018