Das Märchen vom kostenlosen ÖPNV

Wer freut sich nicht über Freibier oder eine Lokalrunde? Gespendet vom Wirt, einem Jubilar oder sonst einem großherzigen Menschen. 

Es gibt politische Gruppierungen, die allen Nutzern von Bus und Bahn ein ähnliches Geschenk machen wollen, und zwar nicht nur einmalig, sondern auf Dauer. Allerdings wird dieses Geschenk nicht von diesen Gruppierungen bezahlt, sondern dies soll von der Allgemeinheit, etwa durch Steuern oder durch eine Haushaltsabgabe, geleistet werden. Denn natürlich ist der ÖPNV nicht kostenlos – oder glaubt jemand ernsthaft, dass die Beschäftigten auf ihren Lohn, die Zulieferer auf ihre Bezahlung verzichten werden, weil dies politisch gewünscht ist?

Begründet wird die Forderung nach kostenlosem ÖPNV (öffentlicher Personennahverkehr) mit dem Schutz der Umwelt, man glaubt, damit die Zahl der Autofahrten zu verringern. Dafür gibt es aber keine Belege:

In Ländern mit spottbilligen Fahrpreisen, auch gemessen an der lokalen Kaufkraft, sind die Verkehrsmittel in einem solch jämmerlichen Zustand, dass sie potenzielle Fahrgäste eher abschrecken; wer immer kann, nutzt den MIV (motorisierten Individualverkehr). In Luxemburg, das am 1.3.2020 den für Fahrgäste kostenlosen ÖPNV eingeführt hat, hat der MIV nicht messbar abgenommen. Selbst der zuständige Minister François Bausch (von den Grünen!) sagt: „Der kostenlose ÖPNV ist nicht der große Hebel, der die Leute dazu bewegt, auf die öffentlichen Verkehrsmittel umzusteigen. Das erreichen wir nur durch Investitionen in ein besseres Netz.“ Diese Kosten soll der Steuerzahler tragen? Also nicht nur die Autofahrer, die ja tatsächlich die Umwelt belasten, sondern auch die Radfahrer, Fußgänger oder die Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, ihr Grundstück nur selten verlassen?

Im Übrigen gibt es noch andere Verhaltensweisen, die die Umwelt belasten, etwa der Fleischkonsum oder importierte Lebensmittel. Trotzdem kommt niemand auf die Idee, umweltschonendere Alternativen gratis anzubieten. Zumindest war noch nichts von kostenlosen „lokal erzeugten pflanzlichen Lebensmitteln“ zu hören – vielleicht abgesehen von Spargel- oder Kirschdiebstählen.

Für die Attraktivität von Bus und Bahn sind wohnungsnahes Angebot, häufige Fahrten, ausreichende Zahl an Sitzplätzen, Zuverlässigkeit und Sauberkeit wichtiger als der Fahrpreis. All dies ist nicht zum Nulltarif zu haben. Zwar würden bei einer Gratis-Nutzung Kosten für Fahrkarten, Entwerter und Kontrolleure entfallen, insgesamt würde die finanzielle Belastung der öffentlichen Hand aber so stark zunehmen, dass an eine weitere und aus Gründen des Umweltschutzes dringlich erforderliche Angebotsverbesserung nicht zu denken ist.

K.-E Friederich