Die Pläne der Baugenossenschaft „Familienheim“ beim Wiehrebahnhof

BESTMÖGLICHER SCHUTZ FÜR DIE MIETER UND DAS BAUENSEMBLE

Am Anfang und im Vordergrund muss die Entwicklung eines Gesamtkonzepts stehen – möglichst als Ergebnis eines Architektenwettbewerbs

Es rumort gewaltig in der Oberwiehre – ganz besonders bei den direkt Betroffenen: Und das sind die Menschen in den ca. 300 Wohnungen der Baugenossenschaft „Familienheim“ im Quartier unmittelbar nordöstlich des (neuen) Wiehrebahnhofs. Ein auf 15 bis 20 Jahre angelegtes Großprojekt ist angekündigt – so etwas weckt natürlich Ängste. Aber nach ersten Gesprächen zwischen den Beteiligten (und dazu gehören auch die beiden Wiehremer Bürgervereine) besteht Grund zu Optimismus: Alle Mieter dürfen im Quartier – und die Mieten sollen „bezahlbar“ bleiben. Grundlage der weiteren Entwicklung aber muss zunächst ein Gesamtkonzept sein, das bisher fehlt.

Foto: Google Maps

Genau an dieser Frage entzündeten sich zum Jahresende heftige Diskussionen. Die Bauherrin hatte schon im November Gemeinderatsfraktionen und Bürgervereine umfassend informiert, und der Gestaltungsbeirat hatte sich bereits mit konkreten Fassadenplänen für einen ersten Bauabschnitt an der Quäkerstraße befasst (dort plant die Familienheim bisher den Abriss der Gebäude Nr. 1 bis 9). Die Resonanz darauf allerdings war rundweg ablehnend – und einhellig wurde zunächst die Erarbeitung eines Gesamtkonzepts eingefordert. Bei einem derart großen, anspruchsvollen, langfristigen und vielschichtigen Projekt wie diesem eigentlich eine Selbstverständlichkeit – sollte man meinen. Und der erfolgversprechendste Weg auf der Suche nach einer solchen überzeugenden, zukunftsweisen Konzeption ist nach aller Erfahrung ein Architektenwettbewerb. Dies fordern Gemeinderatsfraktionen und Bürgervereine – die Gespräche mit der Familienheim darüber hatten bei Redaktionsschluss aber gerade erst begonnen.

Ob dann tatsächlich in größerem Umfang abgerissen wird, ist durchaus ungewiss. Die Architektin Jórunn Ragnarsdóttir, Vorsitzende des Gestaltungsbeirats, meine als vorläufige Schlussbemerkung der Vorberatung jedenfalls: „Sie haben uns keine nachvollziehbaren Argumente geliefert, die einen Abriss der Gebäude an der Quäkerstraßen rechtfertigen würden. Wir sind der Meinung, dass eine Sanierung im Bestand möglich ist, auch unter finanzieller Betrachtung…“

Dennoch – in der Gesamteinschätzung überwiegt aus Sicht des Bürgervereins das Positive: Die größten Sorgen der in diesem bemerkenswerten Bauensemble lebenden Menschen konnte die Familienheim als Eigentümerin und künftige Bauherrin weitgehend ausräumen: Alle Mieter, die dies wünschen, können in ihrer vertrauten Umgebung bleiben: viele in ihren jetzigen Wohnungen, in andere (sanierte oder neue) Wohnungen wechseln oder „schlimmstenfalls“ zweimal umziehen, weil Sanierung bzw. Modernisierung in bewohntem Zustand nicht machbar sind. Die Familienheim übernimmt sämtliche Umzugskosten

Vorläufiges Fazit des Bürgervereins: Ein vielschichtiges Großprojekt, das mehr Chancen als Risiken bietet, das bei der Familienheim – so unser Eindruck – in guten Händen ist, und das, wenn man es jetzt klug, kreativ und sensibel anpackt, am Ende für alle ein Gewinn sein kann: für die dort lebenden Menschen, die in vertrauter Umgebung bessere Wohnverhältnisse haben werden, für die Genossenschaft, die ihren Gebäudebestand vorbildlich, nachhaltig, sozial ausgewogen (und mit mehr Wohnraum) weiterentwickelt hat – und nicht zuletzt für die Bürgerschaft und den ganzen Stadtteil, weil dieses bemerkenswert stadtbildprägende Gebäudeensemble zwischen Quäker-, Adalbert-Stifter-, Türkenlouis- und Dreikönigstraße erhalten und aufgewertet wird. Und Übrigens: Die nördliche Randbebauung des Gerwigplatzes (direkt vorm Bahnhof) mit dem Café und kleinen Läden ist auch Teil des Ensembles und könnte in einen Wettbewerb mit einbezogen werden; am besten gleich mit dem Platz selber, der bisher ja ein eher tristes Dasein fristet…

Wenig reizvoll: Die Innenhöfe des Bauensembles der Familienheim bieten noch reichlich Potenzial. Dieses optimal zu entwickeln, dazu wäre ein Architektenwettbewerb der ideale Weg… meint nicht nur der Bürgerverein.

Info: Gestaltungsbeirat der Stadt Freiburg

Seit Februar 2014 gibt es einen Gestaltungsbeirat in Freiburg. Der Beirat steht der Stadt bei wichtigen Bauvorhaben beratend zur Seite. Dies gilt besonders für solche Projekte, die wegen ihrer Größe, Lage, Nutzung, ihres Umfelds, ihrer Ensemblewirkung oder ihrer Bedeutung für das Stadtbild prägend in Erscheinung treten. Das fünfköpfige Gremium aus den Gebieten Architektur, Stadtplanung und Landschaftsarchitektur begleitet die Bauprojekte, steuert fachliche Argumente bei und versachlicht so die Diskussionen zu Architektur und Städtebau. Durch den Gestaltungsbeirat hat die Stadt eine offene Architektur- und Städtebaudiskussion initiiert. Kraft fachlicher Argumente soll damit die Akzeptanz von Bauvorhaben erhöht werden. Vor allem aber kann der Gestaltungsbeirat dazu beitragen, dass die Architektur- und Freiraumqualität steigt. Bauherren erhalten eine objektive fachliche Beratung, die den Dialog zwischen allen Beteiligten fördert und in Einzelfällen auch die inhaltliche Auseinandersetzung um umstrittene Bauprojekte versachlichen und neue Lösungsansätze vermitteln kann.
In einzelnen Fällen kann er auch anregen, dass das Bauvorhaben nach der Weiterbearbeitung wieder vorgelegt wird. Um die Transparenz der Verfahren zu erhöhen, werden die Bauprojekte in öffentlicher Sitzung vorgestellt und diskutiert, sofern der Bauherr nicht widerspricht. Der Gestaltungsbeirat wird von städtischer Seite durch eine Geschäftsstelle unterstützt, die im Baurechtsamt angesiedelt ist.